Thema: (Fotostory) Klaudia - Farben der Sehnsucht
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Alt 30.03.2014, 21:56
Stev84 Männlich Stev84 ist offline
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Kapitel 11: Falten im Gesicht

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Am nächsten Morgen bat mich Magda, sie in ein Café in der Stadt zu begleiten. Eigentlich hätte ich an meinem Bild weiter malen müssen und versuchen sollen zu retten, was zu retten war. Aber meiner Cousine lag dieser Besuch wirklich am Herzen, sodass ich schließlich zustimmte. Erst als wir uns an einen Tisch vor dem Café setzten und unseren Vanillelatte genossen, rückte sie mit dem Grund für diesen Ausflug heraus. „Claude, ich will dir endlich Ron vorstellen. Er hat versprochen, dass er mich in seiner Frühstückspause hier trifft.“

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Das weckte auch meine Neugier. Während Magda und ich auf das Erscheinen ihres geheimnisvollen Freundes warteten, unterhielten wir uns, hauptsächlich über den Auftritt von Frau Lutzenbacher am gestrigen Nachmittag. Doch Magda war nicht wirklich bei der Sache und schaute immer wieder ungeduldig auf ihre Uhr. Plötzlich sprang sie von ihrem Stuhl hoch. „Da ist er ja endlich“, rief sie entzückt. Ich folgte ihrem Blick, neugierig, wer mich da erwarten würde, doch bis auf einen Mann in mittleren Jahren im weißen T-Shirt und kurzen Hosen konnte ich niemanden entdecken.

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Meine Augen weiteten sich überrascht, als Magda genau auf diesen Mann zulief und ihn begeistert küsste. Das war also Ron? Aber…aber der war doch mindestens 40! Er hätte fast ihr Vater sein können.

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Magda löste sich widerstrebend von den Lippen ihres älteren Freundes. „Ron, ich möchte dir meine Cousine Claude vorstellen.“ Magda deutete in meine Richtung. Ron kam auf mich zu und reichte mir die Hand. „Schön dich endlich kennen zu lernen“, sagte er. „Magda hat mir viel von dir erzählt.“ Nun, von dir hat sie mir offensichtlich nicht genug erzählt, schoss es mir durch den Kopf. Magda war neben Ron getreten und blickte mich mit großen erwartungsvollen Augen an, sofort eine positive Bewertung zu ihrem neuen Freund erwartend. Und ich hätte ihr den Gefallen liebend gerne getan. Doch ich sah in Rons Gesicht und konnte die Falten, die deutlich auf seiner Stirn und um seien Augen herum zu sehen waren, nicht ignorieren.

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Ich starrte sie regelrecht an. Es war mir peinlich, aber ich konnte einfach nicht wegsehen. Es war wie bei einem schrecklichen Autounfall. „Schön…schön dich auch kennen zu lernen“, stotterte ich schließlich. Oh man, am liebsten wäre ich im Boden versunken. Hätte Magda mich nicht vorwarnen können? Dann wäre die ganze Situation weniger peinlich für uns alle geworden.

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Ron trank einen Kaffee mit uns zusammen, musste dann aber schnell wieder zurück zu seiner Arbeit. Ich wechselte nur wenige Worte mit ihm. Grundsätzlich schien er wirklich nett zu sein, wäre da bloß nicht sein Alter. Ich konnte nicht verstehen, wieso Magda sich ausgerechnet in diesen Mann verliebt hatte. Zumal sie jeden Mann haben konnte. Ich lag auf dem Bett und las in einem Krimi, als Magda abends nach Hause kam. Sie begrüßte mich knapp und ging dann direkt auf den Spiegel im Schlafzimmer zu. „Findest du eigentlich, dass mich diese Arbeitsklamotten fett machen, Claude?“, fragte sie, strich sich ihre Haare sorgfältig aus dem Gesicht und mustert sich selbstkritisch im Spiegel.

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„Nein, überhaupt nicht“, versicherte ich meiner Cousine, was sofort ein zufriedenes Grinsen in ihr Gesicht zauberte. Langsam blätterte ich in meinem Krimi weiter, ohne auch nur eines der Worte auf der Seite gelesen zu haben. „Du Magda“, fragte ich ganz beiläufig, „wie alt ist Ron eigentlich?“ Magda warf mir einen fragenden Blick zu. „Ich hab noch gar nicht gefragt“, gestand sie. „Aber ich schätze mal, dass er so Anfang 40 ist.“

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Ich legte das Buch hastig zur Seite, ungeachtet der Tatsache, dass ich dabei mehrere der Seiten einknickte, und sprang vom Bett auf. Aufgeregt ging ich auf meine Cousine zu. „Aber Magda, findest du nicht, dass er viel zu alt für dich ist?“, fragte ich. „Euch trennen zwanzig Jahre, Magda. Zwanzig!“

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Doch Magda schien das ganz gleichgültig zu sein. Sie hob die Hände in Richtung Decke und zuckte mit den Schultern. „Was sind schon zwanzig Jahre, wenn man sich wirklich liebt?“, fragt sie. Ich erkannte, dass sie die Worte vollkommen ernst meinte. Ihr war der Altersunterschied tatsächlich egal. „Ron sieht immer noch fantastisch aus und ist fitter als so mancher in unserem Alter.“ Bei diesen Worten pikste sich mir in den Bauch um mir zu zeigen, dass er in jedem Fall fitter war, als ich. „Außerdem weiß er, wie man eine Frau behandelt, was man von den meisten Jungs in unserem Alter nicht behaupten kann. Und jetzt lass es gut sein, Claude. Ich weiß schon, was ich tue.“

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Ich hoffte für Magda, dass sie wirklich wusste, was sie tat. Und vielleicht stimmte es sogar. Immerhin hatte sie auf dem Gebiet Männer sehr viel mehr Erfahrung als ich. Ich sollte mich da also besser raushalten. Wenige Tage später rief meine Galeristin Melinda Casgrove bei mir an. „Kaludia, schön dass ich Sie erreiche. Ein Kund hat sich gestern einige Ihrer Bilder in meiner Mappe angesehen und war sehr angetan. Leider sind die Bilder, an denen er am meisten interessiert war, schon verkauft. Ich habe ihm dann von dem Bild berichtet, an dem Sie aktuell arbeiten, und er hörte sich sehr interessiert an. Er lässt fragen, ob Sie nicht persönlich bei ihm mit dem Bild vorbeikommen könnten. Er wäre auch bereit, sehr gut zu bezahlen, wenn das Bild wirklich so gut ist, wie ich es ihm versprochen habe.“

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Melinda gab mir die Adresse des Kunden. Mein Herz raste zwar wie verrückt, weil ich mich einem Unbekannten stellen musste, aber ich wickelte die Leinwand dennoch in Papier, verstaute sie sicher in meinem Fahrradkorb und machte mich auf dem Weg. Am Ziel angekommen atmete ich tief durch und klingelte zaghaft, meine Worte bereits gut überlegt. Doch mein ganzes Konzept wurde durcheinander gewirbelt, als anstelle eines Mannes eine Frau mittleren Alters die Haustür öffnete. „Guten Tag“, begrüßte sie mich, ehe ich nur ein Wort sprechen konnte. „Sie müssen dann wohl Fräulein Blech sein, die Künstlerin von der uns Frau Casgrove erzählt hat. Kommen sie nur rein.“

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Ok, Augen zu und durch. Die Frau stellte sich als Bethany Wendigo vor und führte mich gleich ins Wohnzimmer. „So, Fräulein Blech, hier sehen sie das Objekt des Grauens.“ Mit einer ausschweifenden Handbewegung deutete sie auf die kahlen weißen Wände in dem ohnehin nur sehr spärlich eingerichteten Raum. „Ich liege meinem Mann schon seit Monaten in den Ohren, dass wir hier etwas Farbe hinein bringen müssen. Und ich hoffe, dass Sie uns da weiter helfen können.“ Ich sah Frau Wendigo unsicher an. Das Bild, welches ich mitgebracht hatte, war durchaus farbenfroh. Und ich konnte mir sogar gut vorstellen, dass es in diesen Raum passte. Aber würde die Kundin das genauso sehen?

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Das würde ich nur erfahren, wenn ich es versuchte. Ich entschuldigte mich kurz und lief schnell zu meinem Fahrrad, um das Bild zu holen. Ich brauchte das Papier nur anzuheben, um Frau Wendigo ein „entzückend“ zu entlocken. „Hängen Sie es bitte gleich auf“, forderte sie mich auf. Zum Glück befand sich in der Wand bereits ein Nagel, den ich nutzen konnte. Ich richtet das Bild ein letztes Mal aus, als ich Schritte im Wohnzimmer hörte. „Cuthbert, schau doch mal, was für ein hinreißendes Gemälde“, rief Frau Wendigo erfreut, als ihr Mann näher trat. Dabei schlug sie enthusiastisch die Hände zusammen. „Der Raum beginnt schon förmlich vor Freude zu strahlen.“

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Während Frau Wendigo sich das Gemälde aus nächster Nähe besah, kam ihr Mann auf mich zu. „Sie können ja unschwer erkennen, dass meiner Frau ihr Werk sehr gefällt. Ich werde ihr wohl kaum ausreden können, es zu kaufen.“ Bei diesen Worten warf er seiner Frau einen spöttischen Blick zu. „Was wollen Sie also für das Bild?“ Mein Herz raste. Vor dieser Frage hatte ich die größte Angst gehabt. Was wenn ihm der Preis zu teuer war? Und was, wenn ich mich weit unter Wert verkaufte? Zum Glück hatte ich dieses Thema vorher mit Melinda besprochen. „320 §“, sagte ich daher so bestimmt wie möglich, wobei ich ein leichtes Zittern in der Stimme nicht unterdrücken konnte. Cuthbert Wendigo warf erneut einen Blick auf seine Frau, die jeden Pinselstrich einzeln mit dem Finger abfuhr. „Nun“, sagte er schließlich, „dieser Preis erscheint mir angemessen. Und wenn Sie noch weiter Bilder dieser Art haben, dann lassen sie es mich wissen. Ich sehe schon, dass meine Frau mit diesem einen Bild nicht befriedigt sein wird.“

Geändert von Stev84 (08.11.2014 um 13:56 Uhr).
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