Thema: (Fotostory) Klaudia - Farben der Sehnsucht
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Alt 29.06.2014, 22:00
Stev84 Männlich Stev84 ist offline
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Kapitel 24: Entscheidungen

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Gernot hatte mit meiner Cousine Magda geschlafen und ich hatte sie auf frischer Tat ertappt. Jetzt war er zwar weg, doch hielt ich es trotzdem keine Sekund länger in meinem eigenen Haus aus. Nicht solange Magda noch da war. Ich hatte Gernot davon gejagt, doch das hatte mich all meine Kraft gekostet. Ich hatte nicht auch noch die Kraft, um mich Magda zu stellen. Also stolperte ich zu meinem alten, rostigen Fahrrad und radelte los. Einfach nur gerade aus, immer weiter ohne festes Ziel. Wenn ich einfach nur weit genug fuhr, dann konnte ich meinen Problemen vielleicht davon fahren. Ich fuhr immer weiter und weiter und langsam senkte sich die Dunkelheit über Rodaklippa.

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Auch wenn mein Kopf nicht wusste, wohin er fuhr, so wussten es meine Beine doch ganz genau. Zielstrebig führten sie mich zu dem einzigen Ort, an dem ich mich jetzt sicher und geborgen fühlen konnte, nämlich zum Haus meiner Eltern. Noch bevor ich klingeln konnte, entdeckte mich mein Vater durch das Küchenfenster auf der Veranda. Und mein tränenverschmiertes Gesicht ließ ihn sofort wissen, dass etwas Schlimmes passiert war.

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Hastig öffnete er die Tür und bat mich herein. „Spätzchen, was ist denn passiert?“, fragte er besorgt. Kaum hatte ich den Fuß über die Türschwelle gesetzt, brachen bei mir alle Dämme. „Gernot….er hat…er hat…“, schluchzte ich bitterlich, „…ich bin ja so dumm…wie konnte…wie konnte ich bloß glauben…dass er mich wirklich gerne haben könnte? “ Natürlich wurde mein Vater nicht schlau aus meinem zusammenhanglosen Gebrabbel.

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Doch das brauchte er auch nicht um zu wissen, dass ich jetzt in erster Linie Liebe und Zuwendung bedurfte. Irgendwann würde ich schon in der Lage sein, ihm alles zu erklären. Behutsam strich er mit seinen großen Händen über mein Haar und flüsterte mir beruhigende Worte zu. Mama hatte oben im Schlafzimmer gestrickt, als sie erst Stimmen und dann mein Weinen von unten vernahm. Eilig kam sie die Treppe hinunter und blickte dabei meinen Vater fragend an. Dieser konnte aber nur ratlos mit den Schultern zucken.

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Als sie unten angekommen war, trat Papa einen Schritt zur Seite um meine Mutter an mich heranzulassen. „Klaudi, Pummelchen, was ist passiert? Wir machen uns Sorgen“, redete sie bedächtig auf mich ein und legte ihre Hände auf meine Schultern. Endlich brachte ich einen klaren Satz hervor. „Gernot…er hat mich betrogen.“ Ich konnte hören, wie meine Eltern beide scharf die Luft einzogen. Dabei hatte ich ihnen das schlimmste noch gar nicht gesagt: „Ich hab ihn eben erwischt…und zwar mit Magda.“

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Sofort schloss Mama mich in ihre Arme. „Mein armes Pummelchen“, flüsterte sie und küsste dabei meine Haare. „Ein Mann wie dieser Gernot ist es nicht wert, dass du auch nur eine Träne für ihn verschwendest.“ Dann nahm sie meine Hand und führte mich zum Esstisch in der Küche. „Ich mache dir erst einmal einen schönen Tee, Pummelchen.“ Während Mama das Wasser aufsetzte und den Tee aufbrühte, erzählte ich den beiden die ganze Geschichte. Papa lief während meiner Erzählung wie ein Tiger im Käfig in der Küche auf und ab. Als ich zu Ende erzählt hatte und vorsichtig an meinem Tee nippte, konnte er nicht länger an sich halten. „Ich werde ihn windelweich prügeln!“, rief er wütend und ballte die Hände zu Fäusten. „Wie konnte er das meinem kleinen Mädchen antun? Und wie konnte Magda dir das antun? Sie werde ich auch versohlen, dass sie sich eine Woche lang nicht mehr wird hinsetzten können. Dieses hinterlistige, heimtückische Biest!“

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„Dominik, beruhig dich“, beschwichtigte Mama ihn. „Du machst unserem Pummelchen ja noch Angst…und mir übrigens auch.“ Mama erkannte sofort, dass Papas Wort nicht nur so dahingesagt waren. Mein Vater war kurz davor, aus dem Haus zu stürmen. „Außerdem wird niemandem damit geholfen, wenn du Gernot oder gar Magda angreifst. Gott weiß, sie hätten es verdient. Aber dafür riskierst du nicht, womöglich noch von der Polizei verhaftet zu werden. Unser Mädchen braucht jetzt ihre Eltern, und zwar beide. Es ist ja klar, dass sie nicht zurück in ihr Haus kann, solange Magda dort ist. Und dieser Gernot wohnt ja auch gleich nebenan.“

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Damit hatte Mama natürlich vollkommen Recht. Ich konnte Magda nicht gegenübertreten. Ich wusste, dass ich dafür nicht die Kraft haben würde. Ein Blick von ihr würde genügen, und ich würde weinend wie ein Häufchen Elend zusammenbrechen. Und Gernot wollte ich erst Recht nicht sehen. Allein an ihn zu denken zerriss mir schon das Herz. Als stimmte ich sofort zu, als Mama mir anbot, für ein paar Tage bei ihr und Papa zu bleiben. Ich durfte zu Mama ins Bett, während Papa es sich in einem Schlafsack so bequem machte, wie es auf dem harten Dielenboden eben möglich war. Und kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, war ich auch schon eingeschlafen. Liebevoll streichelte mir meine Mutter noch über das Haar, bevor sie das Nachtlicht löschte und sich zu mir ins Bett legte.



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Während ich tief wie ein Stein schlief, bekam meine Mutter in dieser Nacht kaum ein Auge zu. Schon lange vor Sonnenuntergang lag sie wach im Bett, blieb aber so lange liegen, bis der Wecker auf dem Nachttisch sieben Uhr anzeigte. Hastig warf sie sich ihren Schlafrock über und verließ leise das Schlafzimmer. Ihr Ziel war das Telefon unten im Flur und sie wählte die Nummer meiner Tante Joanna. Obwohl es früh war, klang ihr Schwester bereits hellwach, als sie sich am anderen Ende der Leitung meldete. „Jojo, deine Tochter hat etwas furchtbares angestellt“, begann meine Mutter unvermittelt das Gespräch und erzählte ihrer Schwester, was gestern vorgefallen war. Meine Tante hörte ihr geduldig zu.

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Doch leider erhielt meine Mutter nicht die Unterstützung, die sie sich von ihrer Zwillingsschwester erhofft hatte. „Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt unternehmen, Xana?“, fragte sie meine Mutter, nachdem diese geendet hatte. „Meine Magda und deine Klaudia sind beide erwachsene Frauen. Sie müssen das unter sich regeln und ich werde mich da nicht einmischen.“ „Aber du weißt doch ganz genau, wie sensibel Klaudia ist“, entgegnete meine Mutter scharf. „Und Magda ist dieses Mal wirklich zu weit gegangen. Ich hab nichts gesagt, als deine Tochter sich einfach bei Klaudia eingenistet hat und du es zugelassen hast. Aber jetzt verlange ich von dir, dass du deine Tochter wieder zurück nach SimCity beorderst. Klaudia muss vor ihr geschützt werden.“ Meine Mutter hatte sich regelrecht in Rage geredet. Doch meine Tante war nicht so entschlossen zu handeln, wie meine Mutter es sich gewünscht hätte. „Ich werde mir deinen Vorschlag durch den Kopf gehen lassen“, antwortete sie lediglich und verabschiede sich anschließend.

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Ich schlief tief und fest und verbrachte eine traumlose Nacht. Doch kaum schlug ich meine Augen auf, kehrten die Bilder von Gernot und zurück. Ich konnte sie einfach nicht verdrängen und sie quälten mich. Ich kam mir so dumm vor und ich schämte mich, weil ich mich so hab hintergehen lassen. Deshalb wollte ich auch niemanden sehen. Meine Eltern hatten sich gestern zwar rührend um mich gekümmert, aber ich hätte das Mitleid in ihren Augen nicht länger ertragen können. Also schlich ich mich leise aus dem Haus und ging in den Pferdestall. Als junges Mädchen war ich oft hier gewesen, wenn ich allein sein wollte.

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Lediglich eines der Pferde stand in seiner Box, Trixi, das Lieblingspferd meiner Mutter. Die übrigen Pferde waren draußen auf der Koppel, doch Trixi wartete noch darauf, dass meine Mutter in den Stall kam, um ihren morgendlichen Kontrollausritt hinaus in die Apfelplantagen zu machen. Als die Stute hörte, wie ich das Tor zum Stall öffnete, kam sie zur Öffnung ihrer Box getrabt und streckte den Kopf hinaus. Ich kam auf sie zu und streckte ihr eine Karotte entgegen, die ich auf dem Weg zum Stall aus dem Gemüsegarten geholt hatte. Mit ihren Weichen Lippen fraß sie das Gemüse aus meiner Hand. Die Berührung kitzelte meine Haut und für eine Sekunde huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Doch im gleichen Moment kamen auch die Tränen wieder. Wieso war die Welt bloß so ungerecht? „Sei froh, dass du dich nicht mit so fiesen Leuten wie meiner Cousine und diesem Gernot herumplagen musst“, sagte ich zu Trixi und streichelte ihre Stirn. Allein ihr weiches Fell zu spüren, tröstete mich in ungeahnter Weise.

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Ich verbrachte fast den ganzen Vormittag im Stall. Ich erzählte Trixie was vorgefallen war und auch wenn mir klar war, dass sie natürlich nichts von meinen Problemen begriff, fühlte ich mich erleichtert. Anders als bei meinen Eltern, hatte ich das Gefühl, dass ich mir alles von der Seele reden konnte, dafür aber in keinster Weise bemitleidet oder gar verurteilt wurde. Dennoch wollten die Tränen nicht so recht aufhören zu fließen, denn ein Problem blieb ja immer noch: Magda wohnte zusammen mit mir in einem Haus und ich musste nicht, wie ich es ertragen sollet, sie jemals wieder zu sehen. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als die Tür des Stalls zur Seite gerollt wurde und Papa eintrat. „Ich hab mir schon gedacht, dass du hier bist, Spätzchen“, sagte er liebevoll, auch wenn ich den Kummer in seiner Stimme heraushören konnte.

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„Im Haus wartet Besuch auf dich“, setzte er fort. Ich drehte mich um und sah ihn erschrocken an. Mein Vater erriet auf Anhieb meine Gedanken. „Keine Angst, Spatz. Wären Gernot oder Magda hier aufgetaucht, ich hätte sie längst zum Teufel gejagt, verlass dich darauf.“ Erleichtert atmete ich aus. „Nein, es ist dein anderer Mitbewohner, Jamie. Ich hab gesagt, ich werde fragen, ob du ihn sehen willst. Er scheint wirklich besorgt um dich zu sein. Vielleicht solltest du mit ihm sprechen.“

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Am liebsten hätte ich meinen Vater zurück ins Haus geschickt, um Jamie wieder weg zu schicken. Es war eine Sache vor meinen Eltern zuzugeben, betrogen worden zu sein. Es aber auch noch vor dem eignen Mitbewohner einzugestehen, war etwas ganz anderes. Ich wusste nicht, ob ich die Kraft dazu haben würde. Aber auf der anderen Seite war Jamie auch ein guter Freund…mein bester sogar, wenn man bedachte, wie sehr ich mich in Magda und Gernot getäuscht hatte. Vielleicht war es also gar nicht so verkehrt, mit Jamie zu sprechen. Ich ging ins Haus meiner Eltern und fand Jaime im Wohnzimmer vor, wo er mit meinem jüngeren Bruder gerade an der Konsole spielte.

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Als er mich sah, legte er das Game-Pad sogleich zur Seite und entschuldigte sich bei meinem Bruder. Damit wir uns in Ruhe unterhalten konnten gingen wir hinaus in den Obsthain neben dem Haus. Ein Blick in mein Gesicht genügt um zu bestätigen, dass Magda ihm die Wahrheit gesagt hatte. „Sie hat also wirklich mit deinem Freund geschlafen. Ich wollte es erst nicht glauben als sie es mir gesagt hat.“ Traurig schüttelte er den Kopf. „Es tut mir sehr leid für dich, Klaudia.“

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Wieder drohten mich die Tränen zu übermannen, die eben erst getrocknet waren. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor Jamie zu weinen. Doch dann wurde mir bewusst, was er gesagt hatte. „Magda hat dir also einfach so erzählt, was sie getan hat? Liebst du sie denn nicht immer noch?“ Jamie zuckte mit den Schultern. „Wir hatten Spaß zusammen. Vielleicht wäre auch mehr draus geworden, aber offenbar war es nicht das, was Magda wollte. Ich kann damit leben, aber was sie dir angetan hat, war echt böse. Was ich nur nicht verstehe ist, warum sie es getan hat.“

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Nun, darüber hatte ich mir inzwischen auch meinen Kopf zerbrochen und war nur zu einem Schluss gekommen. „Sie wollte sich dafür rächen, dass wir sie nicht darüber aufgeklärt haben, dass du der Sohn ihres Ex-Freundes bist. Indem sie meinen Freund verführt hat, konnte sie sich mit einem Schlag an uns beiden rächen.“ „So ein Verhalten ist doch echt kindisch“, schnaubte Ron. „Und das sage ich, wo ich doch der jüngste von uns allen bin. Durch dieses Spielchen hat sich doch nichts gewonnen, aber dich und mich als ihre Freunde verloren…und vielleicht noch mehr. Wie gedenkst du, jetzt mit ihr zu verfahren? Wirst du sie auf die Straße setzten?“

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Der Gedanke war mir bislang gar nicht gekommen. Aber konnte ich das überhaupt? Immerhin hatten wir beide für den Umbau des Hauses zusammengelegt. Es war nicht mehr nur mein Haus, sondern auch Magdas. Ich hatte nicht das Recht, sie hinaus zu werfen. Ich äußerte meine Bedenken Jamie gegenüber. Doch dieser legte seien Stirn in Falten und sah mich fragend an. „Ist es wirklich euer gemeinsames Haus? Ich meine, du hast es gekauft und du bist im Rathaus als Besitzerin eingetragen. Es ist schön, dass Magda dich finanziell unterstützt hat, aber habt ihr nach dem Umbau etwas an den Besitzverhältnissen verändern lassen?“ Ich schüttelte den Kopf, was Jamie ein Lächeln entlockte. „Na, dann würde ich mal behaupten, du kannst Magdas verräterischen Hintern jeder Zeit auf die Straße setzten. Es ist dein Haus, du kannst also machen, was du willst.“ Unsicher sah ich Jamie an. Er hatte Recht. Ein Wort genügte und ich konnte Magda los sein. Aber war ich wirklich stark genug um das auch zu tun?

Gedanken

Ich war ja so dumm. So dumm! Wie konnte ich jemals glauben, dass mich ein Mann wirklich lieben könnte? Mich! Mir hätte von Anfang an klar sein müssen, dass Gernot es nicht ernst meinen könnte. Denn wer würde eine so graue Maus wie mich schon lieben wollen? Aber trotz meiner inneren Zweifel hatte ich mich auf ihn eingelassen und bin total auf die Schnauze geflogen. Gernots Betrug schmerzte ungemein, aber noch viel schlimmer traf mich Magdas Betrug. Ja, sie hat mich immer und immer wieder mit ihren Sticheleien geärgert. Aber in meinem innersten war ich immer überzeugt gewesen, dass sie es gar nicht so meint, dass diese Bemerkungen nur ihre verdreht Art waren mir zu zeigen, dass sie sich um mich sorgt und dass ich ihr wichtig war. Aber da hatte ich mich gehörig in ihr getäuscht. Und dabei schienen wir uns doch so gut zu verstehen. Wir haben uns gemeinsam ein schönes Zuhause aufgebaut und beide hart dafür gearbeitet, es uns auch leisten zu können.

Das Geld für den Umbau zusammen zu bekommen war nicht einfach. Magda musste fast ihr gesamtes Gehalt dafür aufbringen. Zusätzlich verdiente sie noch Geld mit gelegentlichen Auftritten in den Discos und Clubs der Gegend. Und ich stand Tag und Nacht an der Leinwand und malte. Aufgrund der turbulenten Ereignisse am Tag meiner Ausstellung verpasste ich diese leider, aber Melinda versicherte mir, dass meine Bilder wieder einmal sehr gut ankamen und sich bereits am ersten Tag viele Käufer fanden. Und auch Jamie half uns, den Umbau zu finanzieren. Er bezahlte seine Miete immer regelmäßig. Das Geld dafür verdiente er sich mit Schreiben und dem Verkauf von Insekten an das wissenschaftliche Institut.

Ich gebe zu, dass ich einen Fehler begangen hatte, als ich Magda nichts davon erzählte, dass Jamie der Sohn von Ron war. Es war unfair ihr gegenüber. Aber wie konnte ich ahnen, dass sie sich so kurz nach der Trennung von Ron schon wieder auf eine neue Beziehung einlassen würde? Und zudem war Jamie doch auch noch so viel jünger als wir. Ich war überzeugt gewesen, dass es zu keinen Schwierigkeiten kommen würde. Und wenn sich Magda erst einmal mit Jamie angefreundet hätte, dann wäre es ihr auch egal gewesen, dass er Rons Sohn ist. Aber da hatte ich mich gewaltig getäuscht. Und auch wenn ich mich ihr gegenüber unfair verhalten hatte, eine solche Rache hatte ich doch nicht verdient. Zumal meine Absichten gut waren, als ich zuließ, dass Jamie bei uns einzog. In meiner Kindheit musste ich am eigenen Leib miterleben, wie sehr ein Kind darunter leidet, wenn der Haussegen schief hängt. Auch heute noch, nach so vielen Jahren hörte ich die Streitgespräche zwischen meiner Mutter und meiner Schwester Kinga. Damals hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als diesen ewigen Streitereien entfliehen zu können. Und Jamie hatte sich in einer ganz ähnlichen Situation befunden. Die neue Frau an der Seite seines Vaters sorgte dafür, dass er sich in seinem eigenen Zuhause nicht mehr wohl fühlte. Ich könnte also nicht anders, als ihm zu helfen.

Und ich hatte ihn inzwischen wirklich in Herz geschlossen. Auch wenn er nicht so schüchtern war wie ich, so vermied Jamie doch gerne große Menschenmassen und im Gegensatz zu Magda konnte man gut einen Abend mit ihm einfach auf der Couch vor dem Fernseher verbringen. Ich gebe zu, dass er manchmal etwas mürrisch und aufbrausend war, insbesondere, wenn er am frühen Morgen das Bett verlassen musste. Aber dann verzog er sich meist einfach in sein Zimmer und gut war‘s. Und er war schlau! Manchmal kam ich mir fast schon dumm neben ihm vor, und dabei war er vier Jahre jünger als ich. Er hätte auf die Uni gehen sollen, nicht ich, aber daran schien er kein Interesse zu haben. Dieses galt nämlich vorrangig der Umwelt. Magda und ich mussten uns des Öfteren eine Standpauke darüber anhören, dass mir zu viel Wasser verbrauchten oder wieder einmal das Licht in der Küche brennen ließen. Und er hatte ja Recht damit, wir sollten wirklich mehr an unsere Umwelt denken.
Und jetzt stand ich vor der Schwierigen Entscheidung, was ich mit Magda machen sollte. Sollte ich sie wirklich auf die Straße setzten? Dafür dass sie mit meinem Freund geschlafen hat, hätte sie es verdient. Aber ich musste auch eingestehen, dass ich nicht ganz unschuldig daran war, dass sie sich dazu gedrängt fühlte, sich an mir zu rächen. Und sie hatte Geld, Ideen und Mühen in den Umbau unseres Hauses gesteckt. Und nicht zuletzt war sie meine Cousine. Konnte ich wirklich ein Familienmitglied auf die Straße setzen? Ich wusste es nicht.

Geändert von Stev84 (08.11.2014 um 14:46 Uhr).
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