Thema: (Fotostory) Klaudia - Farben der Sehnsucht
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Alt 11.01.2015, 19:15
Stev84 Männlich Stev84 ist offline
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Kapitel 48: Twinbrook

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Mein Zusammenziehen mit Francesco war beschlossene Sache. Doch der Renovierungsbedarf in der Stadtvilla war größer als zunächst angenommen. Daher beschlossen Francesco und ich, erst nach der Hochzeit umzuziehen. Mir kam dieser Aufschub nicht ungelegen, denn so konnte ich mich länger mental darauf vorbereiten. Und ein weiteres Projekt lenkte mich von zu vielen Grübeleien ab. Ein Projekt, das mich nach Twinbrook führte und das auch die Anwesenheit meiner Mutter erforderte. Gemeinsam traten wir die Reise in die 500 km entfernte Ortschafft mit dem Überlandbus an. Im strömenden Regen trafen wir an unserer Pension ein.

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Twinbrook war schon im Sommer kein besonders beliebter Ferienort, da es in dem sumpfigen Gebiet vor Mücken nur so wimmelte. Doch jetzt im Herbst hatten wir sogar die gesamte Pension für uns allein. Es hatte nicht viel Überzeugungsarbeit gebraucht um Mama dazu zu bewegen, mich zu begleiten. Sie war zwar etwas erstaunt über die Wahl des Reiseziels, aber sie war einfach froh, ein paar gemeinsame Tage mit mir verbringen zu können. Unser Zimmer, so wie die Pension insgesamt, war schon etwas in die Tage gekommen. Aber es war sauber und für uns völlig ausreichend.

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Ich fühlte mich direkt in meine Kindheit zurückversetzt und musste an den gemeinsamen Urlaub in Drei Seen zurückdenken. Damals hatte Papa uns gerade verlassen als herauskam, dass er nicht der Vater meiner älteren Schwester war. Und um mich und auch sich selbst abzulenken, war Mama mit mir in Berge gefahren. Trotz der schlimmen Umstände, die Anlass für den Ausflug waren, wurde es ein wundervoller Urlaub. Und wie in unserer Blockhütte damals hatten wir auch hier in der Pension einen gemütlichen Kamin, an dem wir uns von dem kalten Regenwetter aufwärmen konnten.

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Die Urlaubsstimmung von damals lebte noch einmal richtig auf, als wir am nächsten Tag das Twinbrooker Herbstfest besuchten. Wir ließen uns von dem stetigen Nieselregen nicht abhalten und nahmen sogar an einem Apfelbeißwettbewerb teil. Mama stellte sich nicht gerade geschickt an und ich gewann haushoch.

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Auch einen Besuch im Geisterhaus ließen wir uns nicht nehmen. Man sollte meinen, dass solche Attraktionen nur für Kinder gruselig sind, aber mir lief es kalt den Rücken herunter bei all den unheimlichen Geräuschen und Schreckgestalten im Inneren.

*****

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So sehr ich die gemeinsame Zeit mit Mama genoss, so war ich doch nicht alleine deswegen nach Twinbrook gekommen. Nein, mein eigentliches Ziel war es meine Schwester Kinga ausfindig zu machen, damit Mama und sie sich endlich aussprechen konnten. Und da unser kurzer Urlaub bald schon vorbei sein würde, begann ich gleich am nächsten Morgen mit meiner Suche. Kinga hatte mir zwar verraten, dass sie nun in Twinbrook lebte, die genaue Adresse blieb sie mir aber schuldig. Sie hatte wohl schon geahnt, dass ich ungebeten in ihrem Leben auftauchen könnte. Ich versuchte also mich in meine Schwester hineinzuversetzen und entschied, dass sie sich wahrscheinlich wie schon zu Teenagerzeiten immer noch gerne in Clubs und Bars aufhielt. Eine Eckkneipe in der Innenstadt erschien mir sehr vielversprechend. Doch im Inneren herrschte gähnende Leere und von Kinga war weit und breit keine Spur. Vielleicht hätte ich meine Suche doch lieber abends beginnen sollen statt morgens um 11 Uhr.

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Lediglich eine Bedienung stand gelangweilt hinter der Bar. Es gab nichts Schlimmeres für mich, als fremde Menschen anzusprechen. Aber ich überwand mich und sprach die Dame direkt an. „Guten Morgen, ich bin auf der Suche nach einer Frau, Kinga Blech…ach, nein, Kinga Mazur heißt sie ja jetzt. Sie muss hier in der Stadt leben und ich hatte gehofft, dass Sie sie möglicherweise kennen könnten.“

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„Meinen Sie etwa unsere Feuerwehrfrau Frau Mazur?“ Ich nickte eifrig. „Ja, die kommt hier abends ab und an vorbei. Seitdem sie Mutter geworden ist, sind die Besuche aber seltener geworden.“ „Kennen Sie zufällig die Adresse von Frau Mazur“, hakte ich nach, erfreut gleich beim ersten Versuch einen Treffer gelandet zu haben. Doch die Bardame kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Warum wollen Sie das denn wissen? Wer sind Sie überhaupt?“

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„Ich bin eine alte Schulfreundin. Anastasia Beaverhausen“, antwortete ich, bevor ich genau darüber nachdenken konnte. Es erschien mir irgendwie sinnvoll nicht zu verraten, dass ich Kingas Schwester und auf der Suche nach ihr war. Ich traute Kinga zu, dass sie sofort untertauchen würde, wenn sie erführe, dass ich in Twinbrook war. „Ich bin geschäftlich in der Stadt und dachte, es wäre nett, meine Freundin bei Gelegenheit zu besuchen. Nur leider habe ich ihre Adresse nicht mehr im Kopf und ihre alte Handynummer scheint auch nicht mehr aktuell.“ Mein unschuldiges Lächeln schien die Bardame besänftigt zu haben. Sie nannte mir Kingas Anschrift, die ich umgehend in der Kontaktliste meines Smartphones abspeicherte.

*****

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Sim-Maps sei Dank war es nicht schwer herauszufinden, wo sich Kingas Haus befand. Dort hin zu kommen war schon das größere Problem. Wie der Name schon vermuten ließ, befand sich die Sumpfloch-Chaussee…nun ja…eben mitten im Sumpf. Das es unaufhörlich regnete, verschob ich den Besuch auf den nächsten Tag, in der Hoffnung, es würde besseres Wetter geben. Doch auch am nächsten Morgen hingen dunkle Wolken über Twinbrook, die ihre schwere Last über der Stadt entluden. Doch noch länger wollte ich nicht warten, denn ich spürte schon, wie mein Entschluss, Mama und Kinga zusammenzuführen, ins Wanken geriet. Ich überzeugte meine Mutter daher, trotz des Regens eine Wanderung in den Sumpf zu unternehmen. Und nachdem wir uns Gummistiefel für sie bei der Pensionsbesitzerin geliehen hatten, ließ sie sich auch dazu erweichen.

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Trotz des Regens hatte der herbstliche Sumpf etwas sehr Schönes an sich. Hier und da hörte man noch einen Frosch quaken oder sah einen Vogel, der mit aufgeplustertem Gefieder in den immer kahler werdenden Bäumen saß. Geschützt unter unseren Regenschirmen spazierten wir umher. Selbst meine Mutter begann, den Ausflug zu genießen. „Hier ist es ja ohnehin immer nass“, sagt sie erheitert. „Was macht da das bisschen Wasser zusätzlich von oben schon aus?“ Ich konnte ihr nur zustimmen. Es war gut, dass sie in bester Laune war. Das konnte bei der Konfrontation mit meiner Schwester nur hilfreich sein. Und die Ortungsfunktion meines Handys verriet, dass wir Kingas Haus bald erreicht haben würden.

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Als wir um die nächste Ecke bogen, konnte ich es auch schon sehen. Ja, da war es tatsächlich. Ich erkannte die Fassade und die Veranda von den Bildern, die Kinga mir gezeigt hatte. Es war an der Zeit, meinen Plan in die Tat umzusetzen. „Oh Gott, oh Gott, oh Gott, meine Blase platzt gleich“, begann ich zu jammern. Meine Mutter sah mich skeptisch an. „Kannst du es denn nicht noch etwas aushalten? Zur Not musst du eben in die Büsche gehen. Hier in der Einöde ist doch ohnehin niemand.“ „In die Büsche“, rief ich gespielt entsetzt. „Am Ende spring mich noch ein Frosch an. Nein, aber halten kann ich auch nicht mehr. Oh nein, oh nein. Aber warte, da ist doch ein Haus! Ich werde einfach mal klingeln und fragen, ob ich die Toilette benutzen kann.“ Bevor sie Einspruch erheben konnte marschierte ich eilig auf Kingas Haus zu und Mama folgte mir dicht auf, nachdem sie ihre Überraschung überwunden hatte.

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„Pummelchen, du weißt doch gar nicht, was hier für Leute wohnen, so mitten im Sumpf“, protestierte meine Mutter. Doch da hatte ich die Klingel schon längst gedrückt. Einen Moment fürchtete ich schon, es könnte niemand daheim sein. Doch dann hörte ich Schritte und die Tür wurde geöffnet. „Hallo Ki“, begrüßte ich verlegen lächeln meine Schwester, die mich perplex anstarrte.

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„Klaudi? Was machst du den hier“, fragte sie erstaunt, aber nicht unerfreut. „Wie hast du meine Adresse herausgefunden? Ich hätte wissen müssen, dass meine kleine Schwester schon Mittel und Wege finden würde um mich aufzuspüren. Das schein uns wohl in den Genen zu liegen.“ Ich wusste zwar nicht, worauf sie damit anspielte, aber viel Zeit zu überlegen blieb mir nicht. Denn plötzlich verfinsterte sich ihr Gesicht. „Nein!“, knurrte sie. „Du hast nicht wirklich SIE hergeführt.“
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cheli24 (12.01.2015), Simsi68 (17.01.2015)