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Alt 25.09.2015, 22:31
Minchen Weiblich Minchen ist offline
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„Lass ihn doch abkühlen, du Nuss“, riet Lilly ihr und wartete selber ungeduldig darauf, ihre kleinen, weißen Kostbarkeiten verzehren zu können.
„Ich hasse warten!“, jammerte Mira zurück und hielt sich den verbrannten Finger in den Mund. Ja, warten war wirklich noch nie ihre Stärke gewesen.
„Wie du willst“, sagte Lilly nur und zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Heul' mir morgen aber nicht Ohren voll!“

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Bis tief in die Nacht saßen die Vier an dem knisternden Feuer und genossen den Augenblick. Sie wussten, dass sie diese Zeit zu schätzen wissen mussten, denn keiner konnte garantieren, dass sich solch eine Gelegenheit je wieder so schnell ergeben könnte. Sie wurden schließlich älter, verfolgten immer mehr ihre eigenen Interessen und Ziele. Irgendwann würden sie heiraten und eine eigene Familie gründen, die dann immer im Vordergrund stehen würde. Vielleicht würden sie auch weg ziehen, in eine andere Stadt - wer weiß das schon. Es gab so viel, über das man hätte grübeln können, doch diese Vier wollten in diesem Moment weder an die Zukunft, noch an die Vergangenheit denken. Sie wollten einfach nur diesen Augenblick genießen.

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Milos Blick fiel immer wieder auf die Armbanduhr. Gleich war es soweit. Er hatte das Gefühl aufgeregter zu sein als sein kleiner Bruder, der seelenruhig sich mit Lilly über alles mögliche unterhielt. Natürlich hatte es sich Lilly nicht nehmen lassen, mit ihrem überragenden Sieg beim Schach zu prahlen und Mira und Janis verfielen in einen Lachanfall, der noch Minutenlang anhielt. Immer weiter witzelten sie über die verschiedenen Kostüme, die Milo tragen könnte. Am Anfang hörte er noch zu und musste selbst über ein paar Ideen lachen, doch irgendwann nahm er die Stimmen seiner Geschwister nur noch entfernt war. So perfekt dieser Augenblick auch war – fast schon schwerelos – so gelang es ihm doch nicht diese Zeit zu hundert Prozent zu genießen.

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„Ohhhh Janis! Jetzt ist es soweit!“ schrie Mira erfreut auf, als sie auf ihr Handy schaute.
„Noch Zehn Sekunden, dann hast du Geburtstag!“
Wie zu Neujahr wurden diese Sekunden von allen Drei laut runter gezählt – ihre Blicke hafteten dabei ganz auf Janis, der am Liebsten vor Scham im Erboden versunken wäre.
Das die auch immer so übertreiben müssen!

Mira war die Erste, die zu Janis sprang, ihn fest an sich drückte und alles Gute zum Geburtstag wünschte. Dann, als wäre ihr plötzlich wieder etwas wichtiges eingefallen, rannte sie ins Haus und man sah nur noch, wie in der Küche das Licht anging.
„Alles Gute zum Geburtstag“, grinste Milo und wuschelte seinem kleinen Bruder durchs Haar.
„Das wirst du hoffentlich in Zukunft lassen“, bedankte sich Janis grinsend und duckte sich um die Hand seines großen Bruders von seinem Kopf zu bekommen. Als er sich zur Seite abwendete, stand er Lilly gegenüber. Sein Grinsen wurde immer breiter, als er seine Arme ausstreckte und wartete, dass seine kleine Schwester ihm zum Geburtstag umarmte. Die verschränkte nur die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch.
„Das... ist jetzt nicht dein ernst!“
„Wie? Bekommt dein Bruder etwa keine Umarmung von seiner Lieblingsschwester?“, lachte er und seine Augen funkelten neckisch auf. So, wie Lilly ihn ansah, wäre sie ihm am Liebsten an die Gurgel gesprungen.
„Das kannst du knicken!“, sagte sie nur trotzig und griff sich in die hintere Hosentasche ihrer kurzen Hose. Neugierig beobachtete Janis sie dabei, wie der kleine Blondschopf mit rotem Kopf einen Briefumschlag hervorkramte und ihm in die Hand drückte.
„Was ist das?“, fragte Janis und hielt den weißen Umschlag mit seinem Namen hoch.
„Wenn ich dir das sage, ist es keine Überraschung mehr“, murmelte sie nur und starrte auf den Boden. Langsam machte er ihn auf und schaute hinein. Im ersten Moment dachte er, dass der Umschlag leer wäre, doch als er genauer hinsah, konnte er etwas in einer der Ecken erkennen. Als er den Brief umdrehte und den Inhalt auf seine Handfläche fallen ließ, konnte er im ersten Moment nichts sagen. Doch sein Gesicht war von Glück und Freude gezeichnet.
„Gern geschehen“, sagte Lilly schnell und rannte ins Haus. Diese Situation war ihr schon unangenehm genug, da wollte sie nicht womöglich noch aus heiterem Himmel vollgeknuddelt werden.
„Was ist das?“, fragte Milo, der das ganze Geschehen aus sicherer Entfernung beobachtet hatte. Er wusste, dass seine beiden Geschwister eine besondere und vor Allem auf ihre eigene Art und Weise enge Verbindung zu einander hatten. Freudestrahlend hielt Janis einen kleinen Anhänger in die Luft und ließ ihn vor Milos Augen tanzen.
„Eine Musiknote?“, fragte Milo und sah sich das kleine, fingergroße Geschenk genauer an.
„Ja“, flüsterte Janis und sah das Geschenk an, als wäre es ein großer Schatz.
„Ich hatte ihr mal vor vielen Jahren erzählt, dass ich Sänger werden möchte. Ich möchte irgendwann gut genug sein, um mit einer eigenen Band aufzutreten. Ich hab das wirklich nur einmal erwähnt. Ist das nicht Wahnsinn, dass sie das noch wusste?“

Im selben Moment kam Mira singend aus dem Haus. In ihren Händen trug sie eine große Torte, die Milo bei dem Bäcker um die Ecke besorgt hatte. Jetzt verstand Janis auch, warum Milo und Lilly nicht mit zum Strand gewollt hatten. Wie jedes Jahr verging auch dieser Augenblick viel zu schnell und fühlte sich an wie ein Wimpernschlag. Das Geburtstagsständchen wurde zu Ende gesungen und die Kerzen ausgepustet.

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* * * *

Genau in dieser Sekunde lief ein junger Mann durch die großen Hallen des Flughafens. Obwohl es mitten in der Nacht war, war hier noch genug los, um das Geräusch des rollenden Koffers, den er hinter sich herzog, zu übertönen. Die Hinweise zu den Abflugzeiten auf den riesigen Anzeigetafeln verschwanden im Sekundentakt und wurden durch neue ersetzt. Immer wieder horchte er auf, wenn die leicht unverständliche Stimme den nächsten Flug ankündigte. Seine Schritte wurden langsamer und kamen schließlich zum Stehen.
„Schön guten Abend“, begrüßte ihn die junge Frau am Schalter. Mit ihren blonden Haaren, die zu einem strengen, glänzenden Dutt zusammengebunden waren und ihrer perfekt sitzenden Businesskleidung, sah sie aus, wie eine der Frauen aus den Fachzeitschriften. Kurz angebunden murmelte der junge Mann sein Anliegen und in einem viel zu freundlichen Ton erklärte ihm die junge Frau sämtliche Sachen und Vorgehensweisen, die ihn in keinster Weise interessierten.
Als sie ihm ein freundliches Lächeln schenkte und ihm die Papiere übergab, presste er lediglich ein „Danke“ über die Lippen und konnte sich zu einem halb ernst gemeinten Lächeln zwingen. Ihm war nun wirklich nicht danach einen auf Friede-Freude-Eierkuchen zu machen. Prüfend schaute er sich um und nahm auf einem der Stühle platz, die in der ganzen Halle für die wartenden Passagiere bereitstanden. Seufzend griff er sich in die Tasche seines Mantels und stieß mit seinen Fingern gegen etwas festes. Nachdem er sicher gegangen war, dass alles noch an Ort und Stelle war, faltete er seine Hände zusammen, stützte seine Ellenbogen auf die Knie und legte die Stirn nachdenklich gegen die Hände. Er hasste es zu warten. Die Müdigkeit überfiel ihn in dieser ruhigen Minute öfter als ihm lieb war und immer wieder schloss er kurz seine Augen. Er hatte schon so lange nicht mehr geschlafen. Er konnte nicht. Die monotonen Ansagen, die im Minutentakt durch die Lautsprecher ertönten, wirkten auf ihn wie ein besänftigendes Schlaflied. Kurz verfiel er in einen Traum, der sich anfühlte, wie eine endlose Hölle, aus der er nicht entkommen konnte. Alles sah unscharf aus. Rot. Blau. Schwarz. Grün. All diese Farben schimmerten durch diesen Schleier, der die Szene zensierte. Erschrocken riss er die Augen auf und spürte wie vereinzelte Schweißtropfen seine Stirn runter zur Wange liefen. Etwas irritiert sah er sich um und rief sich in Erinnerung, dass er noch immer auf dem Stuhl saß und wartete. Doch wie lange schon. Schnell schaute er auf seine Uhr und atmete erleichtert auf. Es waren gerade mal fünf Minuten vergangen. Immer noch benebelt nahm er die erneuten Durchsagen erst beim dritten Mal war, gerade noch rechtzeitig um zu bemerken, dass es sein Flug war, der aufgesagt wurde. Schnell griff er nach dem kühlen Griff seines Koffers und sprintete zur Schleuse.
„Sir, Sie sind spät dran“, stellte die Flugbegleiterin mit einem Blick auf sein Ticket fest.
Dunkel lachend hob er seinen Kopf, nahm ihr das Ticket aus der Hand und flüsterte leise: „Na, hoffentlich nicht!“


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Janis Cooper


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Exzentrisch
Diszipliniert
Avantgarde
Virtuose
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Wer am Tag träumt, wird sich vieler Dinge bewußt, die dem entgehen, der nur nachts träumt.

Edgar Allan Poe
(1809 - 1849), US-amerikanischer Journalist, Dichter und Literaturkritiker

Geändert von Minchen (27.09.2015 um 19:58 Uhr).
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