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Alt 04.10.2015, 20:40
Minchen Weiblich Minchen ist offline
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Kapitel 18 – Glücksgefühle


Die Sonne schien durch den kleinen Spalt der zugezogenen Gardinen direkt in Janis Gesicht.
Undeutlich brummte er etwas in sich hinein, schmiss sich zur Seite und zog die Decke über seinen Kopf. Auch wenn er das schöne Wetter auf dieser Insel liebte, so war ihm die Dunkelheit morgens zu dieser Jahreszeit Zuhause doch lieber. Schlaftrunken tastete er nach seinem Handy und zog es unter seine Decke. Es war noch nicht einmal sieben Uhr und er wusste, dass – jetzt wo er wach war – an Schlaf nicht mehr zu denken war. Immer noch müde, richtete sich Janis seufzend in seinem Bett auf und stieß mit dem Kopf gegen das Lattenrost des Bettes über sich. Fluchend presste er seine kühle Hand gegen die pochende Stelle an der Stirn.
„Verdammt!“
Als er sich die kleinen Tränen aus den Augen wischte, sah er seiner kleinen Schwester direkt ins Gesicht. Sie hatte sich mit dem Oberkörper über die Bettkante gelehnt und ihre beiden Seitenzöpfe zeigten Richtung Boden. Obwohl sie müde aussah und kaum die Augen auseinander bekam, konnte er sehen, dass sie sauer war.
„Was machst du hier für einen Lärm! Ich brauche meinen Schlaf!“, jammerte sie und rieb sich mit den Fingern die Augen. Entschuldigend deutete Janis auf den roten Fleck auf seiner Stirn.
„Ich hab mich gestoßen. Ich wollte dich nicht wecken“, flüsterte er, was eigentlich Unsinn war, denn jetzt war sie wach.
„Jetzt musst du nicht mehr flüstern! Jetzt bin ich wach, du Depp!“, fauchte sie und ihr Kopf verschwand wieder aus seinem Sichtfeld. Genervt verdrehte Janis die Augen und ließ sich rücklings wieder ins Bett fallen. Der Morgen verlief ja schon einmal super! Der Tag konnte ja nur noch besser werden.

* * * *

Während Milo das Frühstück vorbereitete, machten sich seine Geschwister lautstark für den Tag fertig. Er war heilfroh, dass die Nachbarn nicht direkt neben an ihr Haus stehen hatten, sondern knapp einen halben Kilometer weiter entfernt.

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Miras und Janis Gezanke war nicht zu überhören.
„Janis! Du bist schon seit einer halben Stunde im Bad! Jetzt komm da endlich raus!“, schrie Mira wütend und hämmerte lautstark gegen die Badezimmertür.
„Bin gleich fertig!“, ertönte es dumpf aus dem Badezimmer.
„Das hast du schon vor zehn Minuten gesagt!“
Lilly mischte sich in die Streitereien nicht ein. Wie immer stand sie etwas abseits und beobachtete das Geschehen und das auch aus gutem Grund. Denn als endlich der Schlüssel sich lautstark im Schloss drehte und Janis aus dem Badezimmer schlenderte, schnappte sich Mira ihren kleinen Bruder und stellte ihn zur Rede.
„Du kannst doch nicht eine halbe Stunde das Badezimmer besetzen!“
Janis lachte nur kurz auf und streckte sich. „Das sagst ausgerechnet du!“, erwiderte er nur leise und ging an ihr vorbei. „Janis!“, schrie Mira ihm hinterher, aber ihr kleiner Bruder ignorierte sie und huschte schon in der nächsten Sekunde die Treppe hinunter. Es war wie zu Hause. Genervt drehte sie sich wieder zum Badezimmer um und stieß einen wutentbrannten Schrei aus, als sie die Klinke runter drückte, sich die Tür aber nicht öffnete.
„Lilly!“

* * * *

Als Janis den Kopf über die Pfanne hielt und genüsslich den Duft der Pancakes in sich aufsog, musterte Milo seinen kleinen Bruder ganz genau.
„Ich kann es immer noch nicht fassen, wie groß du geworden bist“, lachte er leise und schüttelte fassungslos den Kopf. Verschiedene Bilder von Janis als Kleinkind schossen ihm durch den Kopf und waren so klar, als hätte man sie fotografiert und in seinem Gehirn gespeichert.
„Weißt du noch, wie wir Snuffles vom Baum geholt hatten? Du warst noch so klein, dass du auf meinen Schultern sitzen musstest.“
Grinsend schaute Janis zu seinem Bruder auf und musste ebenfalls daran denken.
„Wieso eigentlich 'Mr. Snuffles'?“
„Wieso nicht?“, entgegnete Janis lachend und nahm auf einem Stuhl platz. Er schloss kurz die Augen und fuhr sich nachdenklich durch die Haare.
„Erinnerst du dich noch an das Kinderbuch, das Mum mir immer vorlesen musste?“
Milo dachte kurz nach und nickte. „Du meinst das Rote über einen kleinen Jungen, oder?“
„Genau. Der kleine Junge war ein Straßenkind und irgendwann lief ihm ein kleiner Kater über den Weg und der hieß Mr. Snuffles. Ich weiß nicht. Irgendwie hat mir der Name gefallen.“
Milo selbst kannte das Buch nicht. Ab und an hatte er zwar mitbekommen, wie seine Mum am Bett seines jüngeren Bruders saß und dieser ihr mit großen, leuchtenden Augen beim Vorlesen zusah, aber damals hatte er andere Sorgen gehabt. Da waren solche Geschichten eher zweitrangig gewesen.
„Apropo“, sagte Janis und riss Milo aus seinen Erinnerungen, „wo ist sie eigentlich?“
„Wahrscheinlich draußen.“

* * * *

„Wer ist ein braves Kätzchen? Ja, du bist ein braves Kätzchen!“
Mira hielt Snuffles auf dem Arm und streichelte ihr über den Kopf. Schnurrend hielt sie ihre Augen geschlossen und genoss die kleinen Streicheleinheiten. Bei all der Aufregung der letzten Tage, war das kleine, tierische Familienmitglied mal wieder viel zu kurz gekommen und keiner hatte bemerkt, dass sie Geburtstag gehabt hatte.

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„Wenn Lilly dich jetzt hören könnte!“
„Janis“, entfuhr es Mira erschrocken und riss die Augen auf. Sie hatte sich so schnell herumgewirbelt, dass Snuffles das zu viel wurde und er maunzend aus ihrem Arm gesprungen war.
„Wie lange stehst du da schon?“

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„Lang genug um dir zu sagen, dass das eine hochintelligente Katze ist und man vernünftig mit ihr reden kann!“, lachte Janis und beugte sich zu Snuffles runter, die sofort ihren Kopf gegen seine Hand presste. Grinsend stemmte Mira die Hände in die Hüften und schaute ihren Bruder mahnend an.
„Du verbringst eindeutig zu viel Zeit mit Lilly. Du klingst schon genau wie sie.“
Die Beiden spielten noch eine Weile mit Snuffles bis Milo alle zum Frühstück rief.

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Als sie in die Küche kamen, fanden sie einen reichlich gedeckten Tisch vor, mit dem man wahrscheinlich eine ganze Armee hätte sättigen können.
„Damit wir uns nicht missverstehen: Morgen darf ich ausschlafen und ihr kümmert euch um das Frühstück!“

* * * *

Eigentlich konnte sich keiner der Vier nach dem Essen mehr bewegen und hätten sich gerne an Ort und Stelle auf den Boden gelegt, aber das Wetter schrie förmlich nach einem Besuch am Strand. Vor allem Milo konnte es kaum erwarten, endlich mal wieder im warmen Meer schwimmen gehen zu können. Im Gegensatz zu Janis und Mira war er ja mit Lilly gestern im Ferienhaus geblieben und hatte die Vorbereitungen für Janis Geburtstag getroffen. Nun aber wollte auch er den weißen Sand an seinen Füßen spüren und sich von der Sonne bräunen lassen. Also wurde schnell alles abgedeckt, die Badesachen unter die Klamotten gezogen und ein Taxi gerufen.

Es dauerte keine viertel Stunde, da wurden sie schon an dem Willkommensschild des Strandes rausgelassen. Während seine kleinen Geschwister schon zum Wasser rannten, hob er aus dem Kofferraum des Taxis den gepackten Rucksack und gab dem Fahrer Trinkgeld. Der bedankte sich mit einem Lächeln und fuhr mit lauter Musik weiter. Der Ausblick auf das Wasser war einfach nur unglaublich. Kein Wunder, dass all die Menschen, die hier lebten, mit einem Dauergrinsen auf den Lippen herumliefen. Egal wo er hinsah, er konnte keine Traurigkeit, keinen Schmerz oder Verbitterung sehen. Alle waren am lachen, singen oder herumalbern. Schnell zog er sich seine Schuhe aus und ging ein paar Meter, bis er endlich das lang ersehnte Gefühl unter seinen Füßen spürte. Genau wie Mira erzählt hatte, war der warme, weiße Sand wie ein kleines Peeling. Die einzelnen Sandkörner waren im Gegensatz zu dem, was er von Zuhause kannte, nicht so grob und steinig, sondern ganz fein – so fein, dass sie vom Wind weggetragen wurden, wenn man den Sand in die Hand nahm und langsam wieder Richtung Boden rieseln ließ.
„Milo!“
Als er sich umsah, konnte er sehen, dass Mira ihm zuwinkte und auf die Stelle neben sich wies.
„Komme!“
Den Platz, den sich Mira, Janis und Lilly gesichert hatten, war wirklich ideal für die vier Geschwister. Er war ein bisschen abseits der anderen Gäste und sie konnten sicher gehen, dass sie andere durch ihre Anwesenheit nicht stören würden. Denn, wenn sie zu viert unterwegs waren, zogen sie gerne die Blicke auf sich. Meistens durch Lilly und ihre Art, wie sie mit anderen Leuten redete. Mittlerweile standen aber auch gerne ihre drei anderen Geschwister durch lautstarke Diskussionen oder durch ihre Albernheiten im Mittelpunkt. Aber es gab noch einen Grund, weswegen Milo froh war, etwas abseits zu liegen. Seit Mira ein Teenager geworden ist, zog sie automatisch die Blicke anderer jungen Männer auf sich. Sie selber bekam es nicht mit – er umso mehr.
Janis und Lilly waren schon längst im Wasser und spritzten sich gegenseitig nass, während Mira sich fürs Windsurfen entschieden hatte.

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An diesem Tag tat jeder das, was ihm Spaß machte. Keine Verpflichtungen, keine Termine oder sonst irgendein Druck, der auf den Vier lasten könnte. Der Tag war perfekt.

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Und er sollte noch besser werden. Als Mira auf ihrem Handtuch lag und die Sonne auf ihren Bauch scheinen ließ, kamen Janis und Milo zu ihr rüber und setzten sich neben sie in den Sand. Den Schatten, den sie dabei auf Mira warfen, ließ sie aufblicken und etwas skeptisch schaute sie auf ihre beiden Brüder, die sie mit einem Grinsen ansahen.
„Was habt ihr vor?“, fragte Mira sofort und rutschte vorsichtshalber ein wenig auf ihrem Handtuch nach hinten.
„Nichts“, antwortete Janis wahrheitsgemäß und überreichte Mira einen weißen Briefumschlag.
„Und bevor du dich jetzt fragen solltest, was das ist, mach es einfach auf“, ergänzte Milo, der scheinbar Miras Gedanken lesen konnte. Neugierig öffnete sie den Umschlag und holte eine längliche Karte heraus. Ungläubig riss sie den Mund auf, bekam aber keinen Ton von sich.
„Wir haben zusammengelegt und wollten dir eine Freude machen“, erklärte Janis und sein Grinsen wurde immer breiter. Als er kurz zu Milo rüber sah, konnte er auch bei ihm die Freude erkennen, die er in diesem Moment verspürte. Japsend sprang Mira auf und legte ein kleines Freudentänzchen hin. Im nächsten Moment streckte sie ihre Arme aus und schlang sie jeweils um die Köpfe ihrer Brüder.
„Ihr seid die Besten!“
Die Karten für den Tauchunterricht hielt sie dabei fest in der Hand. Schon als Kind hatte sie davon geträumt einmal tauchen zu gehen und die weiten des Meeres erforschen zu können. Wasser war einfach ihr Element und näher als beim Tauchen, würde sie ihm nicht mehr kommen können.

Noch am selben Tag traf sie sich mit ihrem Tauchlehrer, der ihr alles genau erklärte. Als sie ihn zum ersten Mal sah, war sie durch seine stämmige Art und den Tattoos ein wenig eingeschüchtert gewesen, doch als er anfing Geschichten zu erzählen, war sie einfach nur noch fasziniert. Und dann ging es auch schon los. Endlich durfte sie auf das offene Meer hinaus fahren. Im Gegensatz zu dem Meer direkt am Strand, war es hier wesentlich dunkler und ließ erahnen, wie tief es hier hinab gehen würde.
„Ist dir kalt?“, fragte ihr Tauchlehrer, als er ihr half, die Sauerstofflasche anzulegen. Er hatte ihr zittern bemerkt und sah sie mit einem väterlichen, besorgten Blick an.
„Nein, nein!“, sagte Mira sofort und schüttelte den Kopf. „Ich bin nur so aufgeregt!“
„Das kenne ich! Und weißt du was das schöne ist?“
Lächelnd schaute er sie an und zog den Reißverschluss seines Neoprenanzugs hoch.
„Nach all den Jahren bin ich das auch noch. Man weiß nie, was für Abenteuer einem begegnen werden.“
Und er hatte Recht. Als sie das erste Mal dann unten am Meeresgrund war, konnte sie nicht anders als zu staunen. Es überkam sie ein Glücksgefühl, das sie zuvor so noch nie verspürt hatte. Als wäre sie nach sehr langer Zeit endlich wieder zu Hause. An dem Ort, zu dem sie gehörte. Alles war so ruhig und hatte seine eigene Geschwindigkeit. Hier unten existierte so etwas wie Zeit nicht. Hier unten war sie alleine und nur für sich. Egal wo sie hinsah, schimmerten Farben, die sie in dieser Vielfalt noch nie gesehen hatte. Kleine, schillernde Fische schwammen an ihr vorbei. Die großen Steine waren mit verschiedenen Arten von Korallen besetzt, dass es einfach nur ein buntes Farbspiel ergab.

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Als sie an diesem Korallenriff vorbei schwamm, entdeckte sie einen etwas dunkleren Ort. Ein paar Meter reichten aus um zu erkennen, dass es sich um eine kleine Höhle handelte. Aufgeregt drehte sie sich um und deutete mit dem Finger auf den dunklen Fleck neben sich. Ihr Tauchlehrer schwamm nun auch näher an sie heran, sah den Eingang zur Höhle und schüttelte zu Miras Enttäuschung mit dem Kopf.

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Dann sah er auf seine Uhr am Handgelenk und deutete mit dem Finger zur Wasseroberfläche. Am liebsten hätte Mira protestiert, sich vielleicht noch bockig auf den Boden gesetzt, aber sie wusste, dass er viel mehr Erfahrung hatte als sie und sie ihm folgen sollte. Der Abschied fiel ihr schwerer als gedacht.
Als die Beiden wieder mühsam aufs Boot kletterten und sich aus den Taucheranzügen befreiten, schaute ihr Lehrer sie grinsend an.
„Wie mir scheint, hast du deine Liebe fürs Tauchen entdeckt. Dieses Glitzern in den Augen sehe ich selten.“
Mira lief ein wenig rot an, als er ihr lachend auf die Schulter klopfte.
„Schade, dass ihr bald schon wieder nach Hause fahrt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass du eine prima Taucherin werden würdest. Du hast dich ausgesprochen geschickt angestellt und ich könnte noch jemanden in meinem Team gebrauchen!“
Fassungslos schaute Mira zu dem glatzköpfigen Mann hoch, der sie gerade mit Komplimenten und Freundlichkeit überschüttete. Bat er ihr gerade echt einen Job an?
„Es war wunderschön“, sagte sie schließlich und war immer noch ganz benebelt von den ganzen Eindrücken. „Ich wünschte, ich könnte jeden Tag da runter.“
Sehnsüchtig schaute sie auf die Wasseroberfläche, die durch das schaukeln des Bootes zu beben schien. Das Glücksgefühl ließ ein wenig nach und die Nebenwirkung der Sehnsucht setzte ein. Sie fühlte sich auf einmal wie Jemand, der ihr die Droge zum Glück vor die Nase hielt und ihr nicht gab.

Janis und Lilly konnten sich an Miras Erzählungen und Beschreibungen nicht satt hören und löcherten sie mit Fragen.
„Hast du auch einen Hai gesehen?“, fragte Janis und bekam im selben Moment eine von Lilly auf den Hinterkopf verpasst.
„Du bist dumm wie eine Banane!“, sagte sie nur und rieb sich ihre Handfläche. Früher war sein Kopf nicht so hart gewesen.
„Wofür war das denn jetzt?“, fragte er beleidigt.
„Dafür, dass du unnütze und unwichtige Fragen stellst.“
„Nur weil du dich nicht traust, deine Frage zu stellen!“
„Halt die Klappe!“, schrie Lilly und sprang auf. Ihre Augen funkelten ihn zornig an.
„Was für eine Frage?“, wollte Mira wissen und versuchte die beiden Streithähne zu beruhigen.
Lilly antwortete nicht und warf ihrem Bruder nur einen mahnenden Blick zu, den dieser gekonnt ignorierte.
„Sie“, setzte er grinsend an und rutschte näher an Mira heran, „wollte fragen, ob du auch eine Meerjungfrau gesehen hast!“
Mira konnte nicht anders und lachte laut los. Auch Janis stimmte in ihr Lachen ein. Fassungslos saß Lilly auf ihrem Stuhl und starrte auf ihre Füße. Das erste Mal in ihrem Leben kam sie sich unfassbar dumm vor. Langsam stand sie auf und ging die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf.
„Mensch, Lil, das war doch nur spaß. Komm wieder her!“, rief Janis ihr immer noch glucksend hinterher, doch sie reagierte nicht. Er war sich bewusst, dass er zu weit gegangen war und schon im selben Moment überkamen ihn die Schuldgefühle. Innerhalb von Sekunden war ihm das Lachen vergangen und er rannte die Treppe hoch.

„So, die Pizza ist – ist irgendetwas passiert?“, fragte Milo irritiert, als Janis an ihm vorbei die Treppe hochgerannt war. Fragend schaute er zu seiner Schwester, die den wahren Grund aber lieber für sich behalten wollte. Schon schlimm genug, dass sie sich über ihre kleine Schwester lustig gemacht hatten.
„Janis hatte etwas gesagt, dass Lilly verärgert hatte. Ich sollte mal nach den Beiden sehen“, erklärte Mira schnell und lief den Beiden hinterher. Anstatt zu ihren Geschwistern zu gehen, die sich hinter verschlossenen Türen angeregt unterhielten, ging sie in ihr Zimmer.

Sie nahm sich eines der zahlreichen Kissen, die auf dem Bett lagen, und platzierte es auf der breiten Fensterbank, die nur etwa einen Meter über den Boden angebracht wurde. Draußen war es schon dunkel und die Sterne standen strahlend am Himmel. Der Tag war wirklich perfekt gewesen.

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Den ganzen Tag konnte sie all die negativen und trüben Gedanken aus ihrem Kopf verbannen, doch wie üblich fanden sie sie in einer ruhigen Minute und flüsterten ihr all die Zweifel in den Kopf, die sie nicht hören wollte. Da waren sie wieder: Die Fragen. Gedankenverloren starrte Mira aus dem Fenster in die Nacht hinein. Der Tag hatte chaotisch angefangen und sich dann in einen der schönsten Tage entwickelt, die sie je hatte. Und doch hielt die Freude nicht so lange an, wie sie gedacht hatte.

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Als es an der Zimmertür klopfte, drehte Mira ihren Kopf zur Tür und sah, dass Milo ins Zimmer lugte. Als er sie auf der Fensterbank entdeckte, kam er schließlich näher. In seiner Hand hielt er einen großen, weißen Teller mit einem Stück Pizza drauf.
„Du hast nicht auf meine Rufe reagiert, da dachte ich mir, dass du vielleicht lieber hier essen möchtest“, erklärte Milo und schob ihr den Teller zu. Dankend lächelte sie ihrem Bruder zu und schaute wieder aus dem Fenster. Milo setzte sich neben sie und schaute ebenfalls raus.
„Hast du -“, fing Mira den Satz an, schluckte aber die restlichen Worte wieder runter.
Milo hatte sie auch so verstanden. So wie er es immer tat.
„Nein“, seufzte er leise. „Ich versuche es schon seit Tagen, aber er geht nicht ran.“
„Oh.“ Dann stand Milo wieder auf und wollte schon gehen, als sein Blick noch einmal auf seine Schwester fiel.
„Geht es dir gut?“
Auch Mira gab sich einen Ruck und stand auf. Dann ging sie zu Milo, stellte sich vor ihn und schaute ihn lächelnd an. „Ich schaffe das. Mach' dir nicht immer so viele Sorgen!“

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Lachend nahm er seine Schwester in die Arme und wuschelte ihr mit der Hand durch die Haare. „Du bist meine Schwester, natürlich mache ich mir Sorgen. Wenn du reden willst, du weißt ja wo mein Zimmer ist“, sagte er nur und ging zur Tür. Ohne sich umzudrehen flüsterte er: „Er wird sich melden, du wirst schon sehen!“, dann ging er wieder zurück in die Küche.

...geht gleich weiter...
__________________
Wer am Tag träumt, wird sich vieler Dinge bewußt, die dem entgehen, der nur nachts träumt.

Edgar Allan Poe
(1809 - 1849), US-amerikanischer Journalist, Dichter und Literaturkritiker

Geändert von Minchen (04.10.2015 um 21:38 Uhr).
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