Thema: (Fotostory) Klaudia - Farben der Sehnsucht
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Alt 28.12.2015, 16:17
Stev84 Männlich Stev84 ist offline
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Kapitel 71: Mein Sonnenschein

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Ich lebte in einer nicht gerade glücklichen Ehe und die Chance auf ein zweites Kind blieb mir auch verwehrt. Aber ich hatte ja mein Lottchen, meinen kleinen Sonnenschein. Es war unglaublich, wie schnell sie groß wurde. Gerade noch krabbelte sie auf allen Vieren durchs Anwesen und heute war doch schon tatsächlich der Tag ihrer Einschulung. Wo waren die Jahre bloß geblieben?

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Doch nicht nur Lottchen, auch mein Neffe Thassilo wurde heute eingeschult. Die beiden kamen zwar in unterschiedliche Klassen, aber sie würden sich sicher häufig auf dem Pausenhof sehen. Immerhin waren die beiden beste Freunde.

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Magdas Sohn Rocky würde erst nächstes Jahr eingeschult werden. Er hatte erst lange geweint, weil er doch zusammen mit seinen Freunden zur Schule gehen wollte. Doch das schöne neue Spielzeugboot, das er von meinen Eltern geschenkt bekommen hatte, tröstete ihn wieder.

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Natürlich hatte es bei der Wahl der Schule für Lottchen wieder einmal Streit mit Eleonore gegeben. Da es im Gegensatz zum Kindergarten keine Privatschule in Rodaklippa gab, hatte sie darauf gepocht, Lottchen auf ein Nobelinternat in Simnorsk zu schicken. Glücklicherweise hatte Francesco in dieser Frage voll hinter mir gestanden und die Sache war schnell vom Tisch. Aber meine Schwiegermutter machte mir das Leben dennoch schwer, wo immer sie konnte. Und es wurde auch nicht dadurch leichter, dass meine Tochter ihre Oma abgöttisch liebte. Und ganz offenbar beruhte das auf Gegenseitigkeit. Ich schämte mich dafür, aber wenn ich die beiden so liebevoll miteinander umgehen sah, dann versetzte es mir jedes Mal einen kleinen Stich.

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Zur Einschulung seines Sohnes war mein kleiner Bruder Sky extra aus Nantesim angereist. Nach dem Abitur hat er an der dortigen Universität wie geplant mit dem Jurastudium begonnen. Und es fehlte nicht mehr viel, bevor er seinen erfolgreichen Abschluss in den Händen halten konnte. Und dann wollte er zurück nach Rodaklippa kommen. Zurück zu seinem Sohn und auch zurück zu Tamara. Die beiden hatten sich zunächst tatsächlich getrennt, als er sein Studium aufgenommen hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich ein oder zweimal sogar den Namen eines anderen Mädchens aufgeschnappt, aber eine dauerhafte Beziehung war mein Bruder nicht eingegangen. Ganz anders Tamara, die über zwei Jahre mit einem jungen Mann zusammen war, den sie während ihrer Ausbildung kennengelernt hatte. Doch so ganz waren Tamara und Sky nie voneinander los gekommen. Tamara lebte mit Thassilo nach wie vor bei meinen Eltern und Sky war all die Jahre ein regelmäßiger Gast. Daher war keiner allzu sehr überrascht, als die beiden händchenhaltend zum Schulgebäude schlenderten. Ich wünschte den beiden aus ganzem Herzen, dass sie glücklich werden würden.

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Und ich sah auch genau, dass Thassilo sich darüber freute, seine Eltern wieder vereint zu sehen. Wer konnte es ihm das schon verübeln? Auch ich hatte mir nach der Trennung meiner Eltern nichts sehnlicher gewünscht, als dass sie wieder zusammen kommen würden, was, wenn auch mit einigen Jahren Verzögerung, schließlich funktioniert hatte. Schließling ertönte die Schulglocke und eine der Grundschullehrerinnen forderte die i-Dötze auf, sich von den Eltern zu verabschieden und sich am Schuleingang einzufinden. Noch einmal drehten sich Lottchen und Thassilo zu uns um und winkten uns zu.

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Dann drehten sie sich um und traten durch die Tür des Schulgebäudes in eine ganz neue Welt. Ein ganz neuer Lebensabschnitt würde jetzt für die beiden beginnen und mir wurde schmerzlich bewusst, dass mein kleines Mädchen erwachsen wurde.

*****

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An sich ging Lottchen sehr gerne zu Schule. Sie fand schnell viele neue Freunde und kam gut mit den Lehrern aus. Aber mit dem Lernstoff tat sie sich schwer, wie ich fast jeden Abend feststellen musste, wenn ich ihr bei den Hausaufgaben half. „2 + 3 = …ähm…6?“, grübelte sie und sah mich dann erwartungsvoll an. „Nein, Lottchen, das ist leider nicht richtig“, erwiderte ich geduldig. „Versuch es noch einmal. Du kannst ja mit den Fingern nachzählen.“ Lottchen legte ihr Heft in den Schoß und zählte angestrengt ihre Finger. „2 + 3 =…ach, Mama, ich kann das nicht!“

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Frustriert schlug sie auf ihr Heft ein. „Lottchen, das ist doch nicht schlimm. Ich erkläre es dir noch einmal. Hier hast du zwei Finger“, ich hielt meine Hand hoch und deutete auf die ausgestreckten Finger, „und dann kommen noch drei dazu. Und dann musst du nur noch alle abzählen. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Fünf, Lottchen, 2 + 3 = 5.“ Missmutig schrieb meine Tochter die Antwort auf. Doch die nächste Aufgabe „4 - 1 = ?„ fiel ihr ebenso schwer. „Mama, ich bin so müde“, sagte sie im weinerlichen Ton. „Und mein Kopf beginnt schon weh zu tun.“ Mein armes kleines Mädchen. „Na gut, Lottchen. Dann geh schon mal hoch und mach dich fürs Bett fertig. Ich rechne die Aufgaben dann für dich aus und du musst morgen früh nur noch die Ergebnisse eintragen. Aber verrate deinem Papa und deinen Lehrern nicht, wie sehr ich dir geholfen habe.“

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Lottchen ging erleichtert hinauf ins Badezimmer, und wenig später ging ich zu ihr hinauf, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Sie war so müde, dass sie bereits fest schlief, als das Zimmer verließ. Die Schule setzte ihr wirklich zu. Ich hoffte, dass es mit der Zeit einfacher werden würde. Und während meine Tochter für den nächsten Tag Kraft sammelte, setzte ich mich an den Esszimmertisch und erledigte ihre Hausaufgaben.

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Wenn das so weiter ging, würde ich mit Lottchens Lehrern sprechen müssen, denn offenbar überforderten sie mein kleines Mädchen. Zum Glück kam sie dank meiner häufigen Unterstützung noch gut im Unterricht mit. Einige Wochen später fand ich sie am späten Nachmittag an der Staffelei vor, wie sie hektisch ein Bild malte. „Wir müssen das bis morgen fertig malen“, sagte sie mit zittriger Stimme. „Und dabei muss ich doch noch Schreiben üben. Mami, wie soll ich das bloß nur schaffen?“ Der verzweifelte Ton meiner Tochter zerbrach mir das Herz. „Weist du was, Lottchen, geh du doch schon mal in dein Zimmer und schreib deine Sätze ab und ich werde hier für dich weiter malen. Du bist ja fast schon fertig, also ist es beinah so, also ob du es selbst gemacht hättest.“

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Ich muss sie erst davon überzeugen, dass das wirklich in Ordnung war und dass sie nicht schummelte…und wenn, dann nur ein ganz kleines Bisschen. Mein Lottchen war einfach zu ehrlich. Während ich also zu Wasserfarben und Pinsel griff und das Werk meiner Tochter vervollständigte, ging sie in ihr Zimmer und machte fleißig ihre Schreibübungen.
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cheli24 (30.12.2015), Simsi68 (29.09.2016)