Sharon
Katan antwortete ihr nicht auf ihre Aussage, sondern hielt sich weiter bedeckt. Was sie jedoch mitbekam war, dass er ihre Haarsträhnen wieder sichtbar machte. Das vertraute schimmernde Blau umhüllte wieder ihre Sicht. Ihr Freund schien wohl auch der Ansicht zu sein, dass sie einfach versuchen sollte, durch das Vordertor zu kommen. Daher machte sie sich auch sogleich auf den Weg über die schmale Straße, die über den See führte.
Schon von weiten konnte die Vampirin erkennen, wie die beiden Wachen sie breit angrinsten. Als sie zum stehen kam, gab einer der beiden mit lockigen blonden Haaren von sich: „Nah, was suchst du denn hier?“ „Ich will zu meinem Vater!“ gab die brünette selbstbewusst von sich. „Zu deinem Vater? Wer ist denn dein Vater, wenn ich fragen darf?“ Antwortete der andere, schwarzhaarige Mann verschmitzt. Kurz pausierte Sharon. Die beiden schienen sie ganz offensichtlich nicht zu erkennen. Was logisch war, sie hatte die beiden noch nie gesehen. Sie waren bei der ‚Mission‘ ihres Vaters gar nicht dabei gewesen. „Mein Vater ist…“ tja, nun war die Frage, wer war ihr Vater eigentlich? Sie kannte weder seinen Namen, noch seinen Status. „Der Mann, der vor kurzem hier reingegangen ist!“ „Du meinst doch wohl nicht Prinz Cassial!“ Sie fingen schallend an zu lachen. „Doch, ich glaube den meine ich! Eben der, der mir ähnlich sieht.“
„Also wie eine Prinzessin siehst du mir nicht gerade aus!“ lachte der Schwarzhaarige. „Du darfst uns hier gerne weiter Gesellschaft leisten, aber reinlassen tun wir dich ganz sicher nicht.“ gab der Blonde amüsiert von sich. „Ja stimmt, ganz süß ist sie ja schon!“ Dann lachten sie weiter und Sharons Wut und Ungeduld stieg. „Dann holt ihn doch her!“ „Ein Teufel werden wir tun. Ihn für jeden Passanten herbeirufen. Hätte er jemanden erwartet, dann hätte er uns das mitgeteilt.“
Die Freude an Sharons Gesellschaft schwand bei den beiden nicht. Sie schienen sich sehr über ihren Versuch in den Palast zu kommen, zu amüsieren. Sharons Geduld hatte jedoch ihre Grenze und die wurde damit überschritten. Sie wusste nicht genau, wie stark die beiden Männer waren, aber sie sah keinen anderen Weg als sich durch die beiden durchzukämpfen. Sie besah sich die Tür, die ganz offensichtlich ein magisches Schloss hatte. Es war wie eine Aussparung und der Schwarzhaarige hatte den passenden Schlüssel, der als kleines, leuchtendes Sechseck um seinem Hals baumelte. Eigentlich hatte Sharon ja nicht vor gehabt ihre Fähigkeit ihrem Vater zu offenbaren, aber es war nunmal gerade die offensichtlichste Methode in den Palast zu kommen.
So nutzte Sharon den Moment, in dem die beiden noch abgelenkt waren, um den schwarzhaarigen ruckartig den Schlüssel zu packen und ihn in die Aussparung zu drücken. Überrascht ließen die beiden ihre amüsierte Fassade fallen und gerade als sich der Spalt des Tors weit genug geöffnet hatte, hechtete die Vampirin durch den Spalt. Nur um dann auch schon von dem Blonden am Fußgelenk gepackt zu werden, so dass sie sich mit den Händen auf den Boden abstützen musste. Er war recht stark. Zumindest schaffte die Vampirin es nicht ihren Fuß freizudrehen, selbst als sie eine bereits geübte Technik anwendete. Also warf sie sich auf den Rücken und schleuderte den Schwarzhaarigen so hart gegen den Blonden, dass dieser überrascht losließ. Mit einer Rolle sprang Sharon auf die Füße und rannte durch den eher düster wirkenden Eingang auf die Gestalt ihres Vaters zu, ehe sie sich auch schon in einer Art Thronsaal befand. Überrascht drehte ihr Vater sich zu ihr hin. „Sharon!?“ gab er irritiert von sich. „Was machst du hier?“ „Ich hab dich gesucht!“ Kurz darauf erreichten sie auch schon die beiden Wachen, die abrupt und überrascht stehen blieben, als ihr Vater eine abweisende Handbewegung zu ihnen machte. „Warum, was ist passiert?“ „Ich wollte einfach nur mit dir sprechen, ich dachte, es wäre einfacher, hier reinzukommen.“ Die Wachen sahen sich überrascht an und senkten ihren Kopf. „Es tut uns Leid, wir hatten angenommen, dass sie lügt.“
„Ihr macht euch besser wieder auf den Weg zu euren Posten, der momentan komplett unbewacht ist.“ Gab ihr Vater den beiden Wachen ernst zu verstehen, die sich auch sogleich wieder zurückzogen. Erst jetzt fiel ihr der Mann auf, der sich auf dem höher gelegenen Thron am Ende des Raumes befand. Auch er sah äußerlich nicht älter aus als 30, strahlte jedoch eine Autorität aus, die ihn sehr viel älter wirken ließ. Der Mann hatte schwarzes Haar und kristallklare Augen, die in so einem hellen Indigo waren, dass sie schon fast weiß wirkten. Er trug einen langen, dunkelvioletten Mantel und trug Schmuck, mit ähnlich dunkel schimmernden blauen Steinen. Er hatte bis jetzt noch kein Ton zu dem ganzen Geschehen gesagt, beobachtete es jedoch in einer entspannten, fast schon gelangweilten Haltung mit einem Glas frischem Blut an seiner Seite.
„Entschuldige uns, Vater.“ Der Brünette nickte dem Oberhaupt zu und führte Sharon aus dem Thronsaal heraus. Verblüfft warf die Vampirin dem Mann auf dem Thron noch einen Blick zu, ehe ihr Vater sie auch schon wieder zurück in den Flur geführt hatte. „Mit dem bin ich verwand?“ fragte sie verwundert. Ihr Vater, Prinz Cassial, legte ihr beide Hände auf die Schultern. „Natürlich, du bist unsere Prinzessin, Sharon. Prinzessin Sharon von Oredia!“ Stolz lächelte er sie an, aber Sharon schenkte ihm darauf nur einen finsteren Blick. „Komm wir reden woanders.“ Daraufhin führte er sie in einen eleganten, alt und düster wirkenden Raum, der wie alles andere auch, durch Kristalle beleuchtet wurde. Dieser hier war in einem warmen orange beleuchtet und die kleinen Kristalle hingen wie Kronleuchter von der Decke. Auch hier gab es einige Bücherregale, in die Sharon sehr gerne mal reingucken würde, ihr Vater leitete sie jedoch zu einem dunklen hölzernen Tisch an dem verzierte, gepolzterte Stühle standen, die mit einem blauen Stoff überzogen waren. Eine Frau fühlte sich daraufhin alamiert den beiden eine Flasche Menschenblut mit zwei Gläsern zu bringen. „Trinkst du Menschenblut?“ fragte ihr Vater charmant und schenkte etwas davon in ein Glas ein. Als Sharon nickte, grinste ihr Vater wohlwollend und stellte ihr ein Glas hin. Sharon konnte riechen und spüren, dass es sich um sehr hochwertiges Blut handelte. Der Mensch, von dem das Blut stammte, schien ein sehr gesundes Leben zu führen. Oder geführt zu haben.. So sicher konnte sie sich da nicht sein. Zumindest fesselte es Sharons Aufmerksamkeit und der Geruch ließ den Appetit deutlich in ihr hochsteigen. Sie hielt sich jedoch zurück davon zu trinken, auch wenn es doch sehr verlockend dort stand.
„Du hast dich ganz offensichtlich gut im Griff, dafür, dass du noch recht jung bist. Beeindruckend.“ „Ich hab lang genug geübt, die Kontrolle zu bewahren.“ antwortete Sharon unbeeindruckt. Zumal ihr Vater ja nicht wusste, wie alt sie wirklich war. „Und du hast es hier reingeschafft. So ganz schwach kannst du ja nicht sein.“ Auch von der Aussage ließ Sharon sich nicht berühren. „Die Wachen waren einfach nur unaufmerksam und haben mich unterschätzt, vielleicht solltest du mal andere Einstellen.“ Diese Aussage ließ ihren Vater lachen. Es war nicht zu übersehen, dass er Gefallen an seiner Tochter fand.
„Ja, vielleicht sollte ich das. Aber jetzt sag mal, warum du hier hergekommen bist. Ich wollte gerade deinem Großvater von dir erzählen!“ Er ließ sich nicht anmerken, dass er zuvor noch mit seiner früheren Geliebten gesprochen hatte. Sollte es ihm noch immer nahe gehen, so versteckte er es zumindest gut.
„Ich habe mich mittlerweile ein wenig beruhigt und mir Gedanken zu der Situation gemacht, in der wir uns gerade befinden. Ich wollte mich mit dir darüber unterhalten, was du getan hast und was du von mir erwartest.“ Sie pausierte kurz und nahm dann doch einen Schluck von dem süßen Blut aus dem Glas, hatte sich jedoch so weit unter Kontrolle, nicht direkt das ganze Glas auszutrinken. „Ich verstehe, dass du mich hier behalten willst. Aber du musst auch verstehen, dass wenn du eine gute Beziehung zu mir pflegen willst, du mich hier nicht gefangen halten darfst. Ich habe bereits ein Leben, zu dem ich zurückkehren möchte. Solltest du mich also nicht für immer verlieren wollen, solltest du mir die Möglichkeit geben, zu kommen und zu gehen, wann ich möchte.“ Für einen Moment kehrte nachdenkliche Stille ein. Sie konnte spüren, dass die Aussage ihm nicht gefiel, aber noch schien er Ruhe zu bewahren. „Und wie soll ich darauf vertrauen, dass du zurückkommen würdest?“ fragte er sie nun doch ein wenig ernster. „Das musst du einfach. Ich lasse mich nicht einsperren.“ Es herrschte erneut Schweigen. Man merkte, dass er sehr stark darüber nachdachte. „Ich habe nicht vor, den Kontakt abzubrechen. Aber solltest du mir meine Freiheit nehmen, würden wir niemals das Vater-Tochter Verhältnis zu mir aufbauen können, was du dir wünschst.“ „Nagut.“ Antwortete ihr Vater. „Ich werde dir zeigen, wie man hier rein und rauskommt. Aber nur, wenn du mir dein ‚Leben’ zeigst, zu dem du unbedingt zurückkehren willst.“
__________________
Sadness just wants to show how beautiful happiness is. [SIGPIC][/SIGPIC]
|