Chasko knirschte mit den Zähnen, starrte auf die Szene vor ihm. Er konnte nichts tun. Nouk kam alleine klar. Und er kam sich dämlich dabei vor, wie er nichts weiter tun konnte, als auf Shadys dunklen Spitzen-BH zu starren.
"Ich... lass euch dann mal..."
Er sprach nicht weiter, schüttelte nur den Kopf und ging ins Badezimmer, wo er sich am Rand des Waschbeckens abstützte und nach unten in den Abfluss blickte.
Das hätte nicht passieren dürfen. Shady hätte sterben können, nur weil er angegriffen hatte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was er eigentlich angriff. So etwas sah ihm nicht ähnlich. Nicht mal in der Zeit, als er ständig verfolgt wurde und mehrmals täglich angegriffen worden war, war er so gewesen. Was war nur los mit ihm? Das konnte doch nicht wirklich nur an dem Schwert liegen. Warum sollte sie erst jetzt damit anfangen ihn ändern zu wollen? Warum jetzt und nicht schon vor 500 Jahren? Es machte keinen Sinn...

Allmählich stabilisierte sich Shadys Zustand, auch wenn sie das Meiste, das Nouk ihr verabreichte am liebsten sofort wieder aus gespien hätte. Aber es half und nach einer Weile klärte sich sogar ihr Blick und sie konnte sehen, wer die ganze Zeit an ihr rumfummelte.
"Hey..."
Sie hätte gern noch irgendeinen dummen Spruch angehängt, aber zum einen fiel ihr keiner ein und zum anderen war sie viel zu erledigt. Ihre Stimme klang ohnehin schon ungewohnt fremd und kratzig.
Shady wollte sich aufrichten, aber auch das blieb bei einem kläglichen Versuch, der ihr erneut Tränen in die Augen trieb. Sie ließ sich zurück ins Kissen sinken und schluckte ein paar Mal, bevor sie erneut versuchte zu reden.
"Was ist passiert?"

__________________

Nouks Augen leuchteten auf, als Shadys Zustand sich besserte. Er strich ihr durchs Haar und küsste sie sacht.
„Bleib liegen… du wurdest angegriffen… von einer Bestie.“, Nouk wählte die Worte mit Bedacht so. Einerseits, um Chasko zu schützen, andererseits, um klarzustellen, wie er die Tat beurteilte.
„Aber du bist aus dem Gröbsten raus. Es wird dir gut gehen, du brauchst nur Ruhe…“
Er hoffte, dass sie tatsächlich liegen blieb. Sie würde sich nur wehtun. Ihr Zustand war noch immer bedenklich und sie war sehr schwach.
Er stand auf und wollte ihr etwas zu trinken holen. Ging also ins Bad, Chasko hinterher. Nouk stand neben seinem Bruder, sah diesen über den Spiegel hinweg an. Er sah fertig aus… zu Recht.
Sein Blick blieb an dem Schwert an der Seite seines Bruders hängen.
Es war verantwortlich…
Nouks Hass dagegen war unermesslich nach dieser Tat.
Am liebsten würde er es Chasko wegnehmen und es vor der Welt verstecken. Aber sicher würde Chasko dann nur wütend auf ihn werden.
Also riss Nouk sich von dem Anblick los, nahm ein Glas und füllte es ohne ein Wort zu verlieren mit Wasser, das er zu Shady zurückbrachte.
Er musste sich jetzt um sie kümmern.

__________________

Shady nahm das Wasser dankbar an. Ihr Hals war so trocken, dass sie absolut alles runter gekippt hätte, aber Wasser war sicher eine gute Wahl.
Welche Bestie Nouk meinte wusste sie selbstverständlich nicht. Es war alles viel zu schnell gegangen und eigentlich interessierte Shady im Moment gar nicht so sehr, wer oder was Schuld an all dem war. Hauptsache, es war schnell wieder vorbei. Sie konnte sich nicht mal bewegen, ohne dass es weh tat. Selbst das Atmen war schmerzhaft. Trotzdem versuchte sie näher an die Bettkante zu rutschen, um ein wenig näher bei Nouk sein zu können. Ihre Hand suchte nach der seinen, um sie fest zu umklammern.
"Mir ist kalt..."
Sie flüsterte beinahe und im selben Moment fielen ihr die Augen zu. Das war einfach zu viel für sie gewesen.

Nach einer Weile kam Chasko aus dem Badezimmer zurück. Es war ihm immer noch nicht ganz recht, unter diesen Umständen mit Nouk und Shady in einem Raum zu sein, aber sich die ganze Zeit im Badezimmer zu verkriechen war einfach nur dämlich.
Unsicher blickte er zu den beiden.
"Wie gehts ihr? Sie wird doch wieder... oder?"

*eingefroren*

__________________

Nouk hielt Shadys Hand fest, bis er sich sicher war, dass die Bewusstlosigkeit sie verschlungen hatte. Es war gut, wenn sie jetzt schlief.
Nouk stand auf, registrierte zwar Chaskos Frage, aber antwortete nicht gleich darauf. Erst holte er noch ein paar Decken und ein frisches Laken, um es vorsichtig auszuwechseln.
Die Decken wickelte er dann um Shady herum, wie ein kleines Kind, dass man in der kältesten Nacht des Jahres so schützen wollte. Es waren genug, dass es ihr selbst in dem Zustand warm sein würde.
„Es geht. Sie hat Schmerzen, aber sie wird es überstehen.“, sagte Nouk dann knapp, während er das Bett so herrichtete.
„Aber ich kann sie jetzt nicht herumtragen. Gerade, wo sie jetzt eingeschlafen ist. Ich hoffe, es macht dir nicht allzu viel aus, dass sie diese Nacht hier bleiben wird… und ich auch.“
Nouk sah Chasko kurz mit einem undefinierbaren Blick an.
„Mach dich nicht fertig, deshalb… die Sache bleibt unter uns und solange sie es jetzt übersteht… ist es nur ein Unfall gewesen.“, meinte er seltsam ruhig.
Dann legte Nouk sich zu Shady, schlang die Arme um das Decken-Drachen-Paket, damit sie wusste, dass er da war und er die Nacht über für sie sorgen konnte. Bis die Medikamente und Tinkturen wohl ihren Dienst getan haben mussten.

Nouk wachte um die Mittagszeit wieder auf. Er hatte Shady in der Nacht und am Vormittag mehrmals dazu gebracht, noch ein paar Flüssigkeiten zu schlucken, was sie in ihrem Dämmerzustand wohl kaum mitbekommen haben dürfte.
Und jetzt machte er sich daran, ihren Verband auszuwechseln. Ob sie nun dabei aufwachte oder nicht, war hinfällig. Sie hatte genug Ruhe bekommen, aber er würde sie nicht zwingen, aufzustehen.

__________________

Chasko hatte in der Nacht wenig geschlafen. In seinem Sarg hätte er sowieso keine Ruhe gefunden, so lange Nouk und sein verletzter kleiner Drache da waren. Stattdessen hatte er Akten durchgesehen, Trainingspläne für Schüler ausgearbeitet und sich ein Konzept für seine nächste Unterrichtsstunde überlegt. So saß er die ganze Nacht an seinem Schreibtisch, döste erst in den Morgenstunden weg. Als Nouk aufstand, um sich weiter um Shady zu kümmern, wachte Chasko wieder auf. Er beobachtete seinen Bruder über seine Notizen hinweg einen Moment lang, warf das Geschriebene schließlich in den Müll und stand auf, um kurz im Badezimmer zu verschwinden und sich zu waschen. Nach wenigen Minuten war er zurück und lehnte sich gegen die Wand. Er konnte Shadys Wunde sehen. Sie sah nicht mehr so schlimm aus, wie am Vortag, war aber noch längst nicht komplett verheilt. Selbst ein Vampir hätte mit so einer Verletzung zu kämpfen und sie hatte keine Kräfte, die ihre Wunden schneller heilen ließ. Trotzdem würde sie wieder werden. Das Gröbste war vorbei.
"Was hat sie überhaupt draußen im Wald gemacht?", fragte Chasko so beiläufig wie möglich. Im Grunde wollte er damit nur das Schweigen brechen.

Shady spürte, wie Nouk ihr frische Verbände anlegte und gab ein unwilliges Brummeln von sich. Es tat nicht mehr so weh, wie am Vortag, was vermutlich hauptsächlich an den Mittelchen lag, die Nouk ihr eingeflößt hatte, aber es war nach wie vor unangenehm. Sie drehte den Kopf zur Seite und vergrub ihm halb im Kissen. Ganz verkriechen war ja nicht, so lang Nouk an ihr rumdokterte.

__________________

Nouk verband die Wunde wieder sorgfältig. Nähen wollte er sie jetzt nicht. Es war an der Grenze dazu. Aber es würde auch so gehen.
Er lehnte sich wieder zurück und atmete kurz durch, ehe er mit einer Hand durch Shadys Haar kraulte und dann erst auf Chaskos Frage antwortete.
„Ich weiß nicht… trainiert. Es sah aus, als hätte sie sich einen Drachen gemalt, auch in Weiß, den sie nicht beherrschen konnte. Er hat sich gegen sie gewandt und sie hat ihn gerade da besiegt, als du… naja.“, versuchte Nouk sich das Schauspiel gestern zu erklären, „Sie hat nur trainiert… unbeaufsichtigt.“
Nouk überlegte. Sie hatte den Knochen ausgespuckt, als sie wieder ein Mensch gewesen war. Er musste noch immer dort liegen. Und es war ein menschlicher Knochen gewesen, klein, vielleicht von einem Finger.
Nouks Hand verkrampfte sich etwas, als er darüber nachdachte.
„Vielleicht war es Odins Knochen, mit dem sie geübt hat.“

__________________

Chasko sog die Luft scharf ein, als er den Namen seines verstorbenen älteren Bruders hörte.
"Woher hat sie..."
Er wusste nicht, ob er es überhaupt wissen wollte.
"Aber er sah doch gar nicht aus wie... das war ein Drache..."
Chasko wusste kaum etwas über Shadys Fähigkeit. Wie wenig, wurde ihm erst jetzt bewusst. Und das als ihr Hauslehrer.
*Verdammter Mist...*
Es war falsch gewesen, die ganze Verantwortung auf Nouk abzuwälzen. Nicht, weil der seine Arbeit nicht gut machen würde - Chasko war sich sicher, dass er sein Bestes tat - sondern weil es seine Aufgabe war. Er musste zumindest wissen, wo Shady mit ihren Lernfortschritten stand.
"Sie... kann also alles mögliche Malen... und es gibt Wesen, die sie nicht... noch nicht beherrschen kann, nachdem sie sie erschaffen hat.", versuchte Chasko zusammen zu fassen.

Shady schlug die Augen auf, als sie hörte, dass die beiden Männer sich über sie und vor allem über ihre Fähigkeit und Odin unterhielten. Das war nicht gut... Nouk würde wieder sauer werden. Aber Shady wollte nicht, dass er schon wieder mit ihr schimpfte.
Schnell schwang sie die Beine aus dem Bett, biss die Zähne zusammen, als ein heftiger Schmerz durch ihren Körper jagte und stand - beinahe ohne das Gesicht zu verziehen - auf.
"Heult hier nich rum... Memmen... mir gehts super."
Sie setzte ein möglichst freches Grinsen auf.
"Ich geh spazieren. Frische Luft und so."
Noch während sie redete schleppte sie sich in Richtung Tür, weiterhin darauf bedacht, dass Nouk nicht sehen konnte, dass sie noch immer Schmerzen hatte.

Eine Falte bildete sich auf Chaskos Stirn, als er Shady beobachtete.
"Warte."
Er wirbelte herum und griff nach einem Kästchen auf seinem Schreibtisch. Darin befand sich eine kleine Phiole mit golden glänzendem Inhalt. Felix Felicitas. Chasko hatte den Trank beim Kostümwettbewerb an Halloween gewonnen. Vermutlich hatten sich zu viele Mädchen bei der Abstimmung von ihren Hormonen leiten lassen. Egal. Er wusste damit im Grunde nichts anzufangen. Er brauchte kein Glück. Shady hatte zwar selbst auch so eine Phiole gewonnen, aber irgendwie wollte Chasko sein Missgeschick zumindest ein klein bisschen wieder gut machen.
"Hier. Wenn irgendwas is, dann trink das. Dann kann dir nichts mehr passieren."

Shady griff nach kurzem Zögern nach der Phiole und steckte sie in ihre Hosentasche.
"Danke..."
Sie hauchte Nouk einen flüchtigen Kuss auf die Wange und machte sich auf den Weg nach draußen. Ein bisschen frische Luft. Shady grauste davor, raus zu gehen. Da wars bestimmt kalt. Aber je weiter weg sie von Nouk war, wenn er begriff, dass sie tatsächlich mit Odin trainiert hatte, umso besser.

=> Gemeinschaftsraum Energie/Macht => See

__________________

Nouk starrte Shady noch einige Sekunden lang halb entsetzt, halb verwirrt nach, ehe er zu Chasko blinzelte.
„….ich kann nichts dafür. Ich hab sie nicht so erzogen…“, versuchte er sich das dann zu erklären. Er wusste ja, dass sie sich ungern wie ein schwaches Mädchen umsorgen ließ, aber das… das war schon krank.
Nouk schüttelte den Kopf. Er vertraute darauf, dass sie das flüssige Glück nehmen würde, wenn es ihr schlechter ging. Und eigentlich setzte er auch darauf, dass sie nicht mehr ganz so Gefährliches treiben würde, jetzt, wo sie erst neulich so arg verletzt worden war.
Dann stand er auf und strich sich durchs Gesicht.
„Wir zwei scheinen mitgenommener von der ganzen Sache, als sie.“, grinste er dann und versuchte, Chasko wieder etwas aufzumuntern. Sein Bruder schien tatsächlich ein schlechtes gewissen zu haben. Nicht ungewöhnlich bei so einem… Verbrechen. Aber trotzdem hatte Nouk es nicht unbedingt erwartet.
Er senkte den Blick und versuchte, irgendetwas zu finden, dass Chasko nicht gleich wieder an die momentane Situation erinnerte.
„Hm… wie denkst du darüber, dass Mutter nun öfter… wenn nicht die ganze Zeit hier ist?“

__________________

Chasko starrte noch einen Moment lang zu der Tür, durch die Shady eben verschwunden war, als könnte sie jeden Moment wieder zurück kommen und sich doch wieder mit Schmerzen aufs Bett werfen. Die Kleine war härter, als er erwartet hatte.
Dann aber wandte er sich wieder Nouk zu und versuchte zu grinsen.
"Du sollst sie auch nicht erziehen. Sie ist deine Freundin, nicht dein Kind... sonst wär das ganz schön krank, was du mit ihr abziehst."
Chasko griff nach den Decken, in die Shady eingewickelt gewesen war und warf sie alle zusammen in die Wäsche. Der Geruch ihres Blutes klebte daran und der war bei Drachen einfach ungewöhnlich stark. Er mochte es nicht, so konnte er nicht schlafen.
"Es ist mir schleierhaft, wie du das ertragen kannst..."
Dann setzte er sich auf seinen Sarg, zog ein Bein an, während er das andere auf über die Kante baumeln ließ. Natürlich entging ihm Nouks kleiner Themenwechsel nicht, aber er war ganz froh darum. Auch, wenn er früher oder später trotzdem noch in Erfahrung bringen würde müssen, wo Shady mit ihrer Fähigkeit stand. Dieses Mädchen entzog sich langsam zu sehr seiner Kontrolle.
"Hm... weiß nich."
Chasko zuckte mit den Schultern.
"Es ist komisch, wenn sie versucht, mich zurecht zu weisen oder mir Frauen vorzustellen... aber an und für sich hab ich sie gerne um mich, so lange der Mudak Abstand hält. Und du und Shady, ihr braucht sie im Moment ja sowieso, oder? Also isses doch gut, dass sie da ist."

__________________

Nouk grinste, als er erfuhr, dass Ilona versuchte, ihrem kleinen Chasko noch Regeln und Werte beizubringen. Vermutlich war bei Chasko da aber schon längst alles verloren.
Dass Shady und Nouk Ilonas Hilfe momentan bitter nötig hatten, stimmte. Nouk hoffte still, dass seine Mutter ihm das nicht irgendwann übel nehmen würde. Ausnutzen wollte er sie nicht.
„So, sie versucht also, dir Frauen vorzustellen?“, hakte Nouk nach und verschränkte die Arme. Ihm war da noch etwas eingefallen.
„Ich kenn da jemanden, der dich übrigens auch mal wieder sehen will! Und sie hat mir schon gedroht, dass sie mich mit meinen Boxershorts an einen der Flaggenmasten zu Hause hisst, wenn ich dich ihr nicht wieder bekannt mache… erinnerst du dich noch an Mascha?“
Chasko durfte Mascha seit nun fast 500 Jahren nicht mehr gesehen haben. Damals war sie etwas jünger, als er gewesen, 16 vielleicht, noch fast ein Kind. Inzwischen war sie eine Frau. Und hübsch noch dazu.
Nouk konnte sich gut vorstellen, dass Chasko bei dem kleinen, frechen Mädchen von damals jetzt auf einen charmanten… Granitfelsen beißen würde.

__________________