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Diese Kurzgeschichte habe ich für den Pudding-Fotostory-Contest geschrieben. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen:
Der Ausflug
Es war ein schöner Spätsommertag im September. Die Vögel zwitscherten fröhlich und kreisten ihre Runden am Himmel. Libellen schwebten hoheitlich am Teichufer. Die Frangipani zeigten sich in ihrer vollen Blütenpracht. Der kleine Charlie Beaumont verbrachte den Tag im Aurora Skies National Park. Bald würde das neue Schuljahr beginnen und die Beaumonts nutzten die letzten Ferientage um ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen. In letzter Zeit stritten Charlies Eltern immer öfter. Sie hatten sich auseinandergelebt. Charlie fürchtete, sie könnten sich trennen. Einige seiner Freunde aus der Grundschule hatten getrennt lebende Eltern.
Charlie und seine Eltern wanderten auf dem Heiße-Quellen-Pfad entlang. Es hätte ein schöner Ausflug werden sollen, doch Charlie war total genervt. Seine Eltern liefen vor und stritten am laufenden Band. Sie stritten über Kleinigkeiten. Sie konnten sich nicht einmal einen Tag lang zusammenreißen.
Nachdem Charlie eine ganze Weile hinter seinen Eltern hinterhergetrottet war, entdeckte er eine Natter im Dickicht. Seine kindliche Neugier veranlasste ihn dazu, dem Tier zu folgen. Er folgte der Natter tief in den Wald hinein.
Als das Tier hinter einem Felsen verschwand, sah Charlie sich um und stellte fest, dass er die Orientierung verloren hatte. "Mama, Papa, wo seit ihr!?" rief er, doch es kam keine Antwort. Er rannte ein Stück in die eine Richtung, dann ein Stück in die Andere, doch er konnte den Wanderweg nicht mehr finden. Panisch rannte er durchs Dickicht. Er rannte eine ganze Weile. Plötzlich stolperte er über eine hervorstehende Wurzel und knallte mit seinem Gesicht auf den harten, trockenen Waldboden. "Autsch!" stöhnte Charlie und rieb sich die Wange. Als der Schmerz weniger wurde, bemerkte Charlie, dass er vom Rennen eine ganz trockene Kehle bekommen hatte. Gott sei Dank hatte er seinen Rucksack mit Proviant dabei. Er nahm ihn ab und schaute hinein. "Eine Flasche Soda, ein Erdnussbutterbrot, eine kleine Tupperdose voll Pudding und mein Teddy Oscar." zählte Charlie auf, während er seinen Bestand checkte. Er trank einen großen Schluck Soda. Charlie lief weiter. Seine Wange schmerzte. Er hatte sich bei dem Sturz eine Schürfwunde zugezogen. "Mama, Papa, wo seit ihr denn nur?" flüsterte er. Es war inzwischen Mittag und die Sonne knallte durch die Baumkronen hindurch auf Charlies Kopf. Er wünschte, er hätte seinen Cowboyhut dabei. Leider hatte er ihn im Auto liegen lassen. Charlie spürte, wie ihm eine Träne über die Wange lief. Er fing an zu weinen. Dicke Krokodilstränen kullerten aus seinen verzweifelten Augen. "Ich will nach Hause."
Plötzlich hörte Charlie ein Rascheln im Dickicht. Er schreckte auf und schaute sich um. Da huschte ein Murmeltier von einem Busch zum Anderen. Charlie atmete auf. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Sei kein Baby, Charlie. Du findest eine Weg hier raus!" sagte er zu sich. Er erinnerte sich an den Abend, als seine Eltern im Theater waren. Charlie war schon groß und brauchte keinen Babysitter. Er saß damals vor dem Fernseher und genoß sein sturmfrei. Doch dann fiel plötzlich der Strom aus. Es war stockdunkel im ganzen Haus. Charlie hatte damals große Angst, doch er nahm allen Mut zusammen, tastete sich den Weg zum Sicherungskasten im Keller und drehte die Sicherung wieder rein. Er war ganz alleine mit dieser Situation fertig geworden. Charlie fasste neuen Mut und lief weiter. Nachdem er eine gefühlte Ewigkeit gelaufen war, setzte Charlie sich erschöpft auf den Waldboden. Er holte Oscar aus dem Rucksack und drückte ihn ganz dicht an sich.
"Oscar hilf mir. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin oder wie ich hier weg komme." sprach er verzweifelt zu seinem Teddy. Charlie stellte sich vor, dass seine Eltern noch immer mit Streiten beschäftigt waren und nicht einmal bemerkt hatten, dass er fehlte. Charlie lief wieder weiter. Nach eine Weile kam er an eine Lichtung. Von dort konnte er in der Ferne das Rauschen der Engelsfälle hören. Er wusste, dass der Heiße-Quellen-Pfad, auf dem er mit seinem Eltern gewandert war, zu diesen Wasserfällen führte. "Ich hab
's gleich geschafft! Dort finde ich bestimmt Mama und Papa wieder!" sagte er erleichtert und rannte in die Richtung, aus der das Rauschen kam. Völlig aus der Puste erreichte Charlie die Wasserfälle. Er blieb einen Moment stehen, um nach Luft zu schnappen. Er schaute sich um. Dort hinten am Hotdogstand entdeckte er seine Eltern. Sie stritten sich nicht mehr. Ganz im Gegenteil, sie sahen ja so besorgt aus.
"Mama, Papa, Gott sei dank!" rief er und lief auf seine Eltern zu. "Charlie, da bist du ja! Wir haben uns solche Sorgen gemacht!" rief seine Mutter erleichtert. Sie hatte Tränen in den Augen. Charlies Eltern rannten ihm entgegen. Seine Mutter schlang ihn in ihre Arme und drückte ihn ganz fest an sich.
"Es tut uns leid, dass wir dich vor lauter Streiten aus den Augen verloren haben." sagte Charlies Vater. "Wir werden in Zukunft mehr reden und weniger streiten." versprachen seine Eltern. Charlie war erschöpft und müde, aber er war überglücklich, dass dieser Alptraum endlich vorbei war.
THE END